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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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sagte sie weich.
    Er starrte sie an, und hinter seiner Stirn arbeitete es.
    »Doch, das sind Sie. Der einzige, noch schlimmere Feind, bin ich mir selbst, denn ich werde von einer Frau erregt, die einer Nationalität angehört, die ich hasse und verachte. Sie haben mir viele schlaflose Nächte bereitet, Madame. Gefällt Ihnen das Wissen, daß Sie meine Selbstach-tung nachhaltig erschüttert haben?«
    Hélène machte keinen Versuch, die Distanz zu ihm zu verringern. Ihre kleine, wohlgerundete Gestalt stand vor dem gewaltigen Bücherschrank und strahlte Sanftheit, jedoch auch Entschlossenheit aus. »Mir kann es niemals gefallen, wenn jemand sich quält. Ich habe mich der Informationsbeschaffung verschrieben, damit ich einen kleinen Beitrag zum Frieden leisten kann. Ich hatte Brüder, Oberst. Einer fiel beim Rückzug von Moskau, der andere wurde durch spanische Partisanen zu Tode gefoltert. Man hat mir gesagt, er brauchte zwei Tage, um endlich zu sterben. Pierre war mein jüngerer Bruder. Er wollte Maler werden.
    Und ja, ich hatte einen Mann, der bei Wagram getötet wurde, zwei Monate, bevor meine jüngste Tochter zur Welt kam. Sie haben bei Wagram gekämpft, Oberst. Vielleicht waren es Ihre Soldaten, die ihn umgebracht haben.«
    »Wunderbar, Madame Sorel, so haben wir beide einiges Leid zu tragen.« Seine Stimme klang wie eine Peitsche der Bitterkeit. »Sie haben meine Erlaubnis, die Preußen so sehr zu hassen, wie ich die Franzosen. Sind Sie nun zufrieden?«
    »Nein!« schrie sie, als plötzlich die Qual all ihre mühsam erlernte Gemütsruhe überwältigte, die das Leben voller Verluste erträglich gemacht hatte. »Ich will nicht mehr hassen. Wenn Preußen statt Frankreich angegriffen hätte, wäre mein Mann dann weniger tot? Ich will, daß meine Töchter in einer Welt leben, wo ihre Väter mit ihnen alt werden können. In der Jungen wie mein Bruder Blumen und hübsche Mädchen malen und alberne Gedichte schreiben können, statt schreiend zu sterben.«
    Sie sah ihn flehend an. Wie sollte sie nur die Eisschicht in seinem Herzen zum Schmelzen bringen? »Als Christin habe ich gelernt, die Sünde zu hassen, aber den Sünder zu lieben. Ich verabscheue den Krieg und die unaussprechlichen Grausamkeiten, die er mit sich bringt - und wenn wir nicht endlich lernen, uns gegenseitig zu lieben, dann sind wir dazu verdammt, wieder und wieder zu kämpfen und zu sterben.«
    »Und Sie glauben, wenn ich Sie lieben könnte, würde der Krieg ein Ende haben?« Obwohl seine Stimme voll Spott und Verachtung war, lag auch die Sehnsucht, glauben zu dürfen, darin.
    »Ich weiß nicht, ob wir einander lieben könnten. Vielleicht existiert zwischen uns nichts als diese körperliche Anziehungskraft«, sagte Hélène, der nun die Tränen die Wangen herunterliefen. Auch wenn sie sah, daß ihre Worte ihn rührten, fürchtete sie, daß es nicht reichen würde.
    Er hatte schon zu lange in seinem Schmerz gelebt, um den Sprung in das echte Leben erneut riskieren zu wollen. Mit brechender Stimme fuhr sie fort: »Wenn zwei Individuen es aber nicht einmal probieren können, dann sehe ich keine Hoffnung für die Menschheit. Wir werden immer wieder die gleichen Fehler machen.«
    Von Fehrenbach begann, durch den Raum zu laufen. Er blieb an einem kleinen Tisch stehen, auf dem ein Porträt in einem silbernen Rahmen stand. Daneben lag eine Bibel.
    Das Bild zeigte eine schöne, blonde Frau, die ein Kind in den Armen hielt.
    Er starrte das Bild lange an, bis er schließlich heiser sagte: »Sie sind eine tapfere Frau. Vielleicht haben Frauen mehr Mut als Männer. Wenn ein Mensch schwer genug verwundet wird, dann stirbt er, aber mit einem verwunde-ten Herzen muß man endlos weiterleiden.«
    Zart berührte er das Gesicht des Gemäldes, dann blickte er traurig Hélène an. »Sie verlangen zuviel, Madame Sorel. Ich habe nicht genug Kraft.«

    Sie war gescheitert. Die Tränen zurückdrängend, erwiderte sie voll bitterer Selbstkritik: »Frauen sind nicht tapferer, Oberst. Wir sind nur dümmer.«
    Sie wandte sich um und suchte in ihrem Täschchen nach einem Taschentuch. Die profane Handlung, sich die Augen abzutupfen und die Nase zu putzen, half ihr, ihre erschütterte Selbstbeherrschung wieder etwas zu stabilisieren. Dann durchschritt sie den Salon zum Ve-stibül.
    Seine Worte folgten ihr. »Was werden Sie Ihren Auf-traggebern über mich sagen?«
    »Ich werde ihnen erzählen, daß Sie meiner Ansicht nach nicht in irgend etwas verwickelt sind. Natürlich wird man Sie

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