Wie ein Blütenblatt im Sturm
frisch. Rafe tastete nach dem Weinkrug und schenkte ihnen beiden nach. »Sie hat Ihnen nie gesagt, was damals geschehen ist?«
»Nein.«
Andersons Stimme war tonlos, aber Rafe glaubte dennoch, eine schwache Neugier heraushören zu können.
Wenn der Mann Margot liebte, dann mußte er ja auch an ihrer Vergangenheit interessiert sein.
In der Anonymität der Dunkelheit fiel es Rafe leichter, einen Vorschlag zu machen, der ihm beim Tageslicht niemals in den Sinn gekommen wäre. »Jeder von uns besitzt einen Schlüssel zu einem Teil von Maggies Vergangenheit.
Warum tauschen wir nicht Informationen über sie aus?«
Da er Protest erwartete, setzte er hinzu: »Ich weiß, das ist nicht gerade die Art von Gentlemen, aber ich schwöre, ich will ihr nichts Böses.«
Rafe konnte die abwägenden Gedanken seines Gefährten fast hören. Endlich sagte der andere Mann reumütig:
»Mein Vater hat immer gesagt, daß ich nicht einen einzigen Tropfen Gentleman-Blut in meinen Adern habe, und er hatte wohl recht. Aber ich warne Sie - es ist keine schöne Geschichte.«
Rafe wußte, daß es an ihm war, zu beginnen. »Margot Ashton gab ihr Debüt achtzehnhundertzwei. Sie kam aus einer recht ehrbaren Familie, jedoch kaum mehr, ihr Vermögen war bescheiden, und alle waren sich darüber einig, daß sie keine klassische Schönheit war - und trotzdem hätte sie jeden ledigen Mann in London haben können.«
Er hielt inne, während er sich daran erinnerte, wie er Margot zum ersten Mal gesehen hatte. Sie hatte den Ballsaal betreten, und ein Blick auf sie war genug gewesen, daß er die Gruppe, bei der er gestanden hatte, verlassen hatte, um sich zielsicher durch das Gedränge auf Margot zuzubewegen.
Margots Anstandsdame hatte den Erben von Candover sofort erkannt und die beiden einander vorgestellt, aber Rafe hatte das kaum wahrgenommen. Er hatte nur noch Margot gesehen. Zuerst war sie über seinen Gesichtsausdruck leicht amüsiert gewesen. Dann hatte ihr Blick den seinen getroffen, und er hatte in ihren Augen dieselben Gefühle aufglimmen sehen, die er in seinem Inneren empfunden hatte. Nun, wenigstens hatte er das damals, dieses erste Mal, gedacht. Erst später war ihm bewußt geworden, daß diese Reaktion erst erfolgt war, nachdem sie erfahren hatte, wer er war.
Laut sagte er: »Es war schon ein richtiges Märchen, mit Liebe auf den ersten Blick und so weiter. Colonel Ashton bestand allerdings darauf, daß wir uns erst nach der Saison öffentlich verlobten, aber es war so gut wie abgesprochen. Ich war niemals so glücklich wie in diesem Frühling.
Dann …« Er brach ab.
»Hören Sie jetzt nicht einfach auf, wo Sie zum Kern der Sache kommen, Candover«, drängte Anderson. »Was pas-sierte mit dem herrlichen Liebestraum?«
Rafe schluckte hart. »Nichts, was man nicht schon kennt. Ich war eines Abends mit ein paar Freunden unterwegs, wovon einer, der genug getrunken hatte, um indiskret zu werden, damit prahlte, wie Maggie sich ihm ein paar Tage zuvor hingegeben hatte. Im Garten bei einem Ball.«
Er trank einen Schluck Wein, denn er mußte dringend seine Kehle befeuchten. »Wenn ich zurückblicke, weiß ich durchaus, daß ich übertrieben reagiert habe. Ich war jung, ein Träumer und durch die Liebe vollkommen durcheinander. Statt das, was sie getan hatte, als Neugier, als Experi-ment oder was auch immer zu sehen, verhielt ich mich ihr gegenüber am nächsten Morgen, als hätte sie das schlimmste Verbrechen seit Judas begangen. Ich wäre froh gewesen, wenn sie sich verteidigt hätte, wenn sie Reue gezeigt hätte, aber sie machte nicht einen einzigen Versuch, es abzustreiten. Sie schleuderte mir einfach meinen Ring vor die Füße und ging.«
Nach einem weiteren Schluck Wein seufzte Rafe tief.
»Ich entschied, daß die Leute recht hatten, die behaupte-ten, Margot wäre nur hinter dem Geld her. Doch ein paar Tage später verließen sie und ihr Vater England. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie das getan hätte, wenn sie sich nicht genauso elend gefühlt hätte, wie ich mich.
Insofern kann ich wohl durchaus behaupten, wir haben uns gegenseitig vernichtet.«
Das Stroh raschelte, als Anderson seine Position ver-
änderte. »Sehen wir mal, ob ich es richtig verstanden ha-be. Sie fragten sie, ob sie mit diesem Freund von Ihnen etwas gehabt hatte, und sie hat nichts abgestritten?«
Im Interesse der Genauigkeit berichtigte Rafe: »Eigentlich habe ich sie nicht gefragt. Ich habe ihr nur das gesagt, was ich wußte.«
Anderson kam
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