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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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die Zeit einzuschätzen, wenn man so hilflos war.
    Ein Hauch frischer Luft drang in die übelriechende Kutsche, als die Tür geöffnet wurde. Die schweigende Eskorte packte den Engländer am Oberarm, zerrte ihn aus dem Wagen und führte ihn eine schmale Straße entlang, ohne sich darum zu kümmern, daß er - blind wie er war - immer wieder stolperte.
    Sie betraten ein Gebäude, stiegen eine Treppe hinab und gingen einen engen Gang entlang, in dem die Schritte widerhallten. Nach einer langen Weile und weiteren Stufen hinauf, blieb sein Führer stehen. Er hörte das Ge-räusch eines sich drehenden Türknaufs, dann wurde er in den Raum gestoßen. Er hob die Hand, um die Binde abzunehmen, hielt aber beim Klang einer zischenden Stimme, die absichtlich verstellt war, inne.
    »Das würde ich nicht tun, mon Anglais. Wenn Sie mein Gesicht sähen, müßte ich Sie töten. Aber das wäre eine Schande, denn ich habe eine besondere Verwendung für Sie.«
    Der Engländer ließ, demoralisiert durch seine Hilflosigkeit, die Hand sinken. Es war unmöglich, die Nationalität des gefährlichen Arbeitgebers zu bestimmen. Bei dem politischen Eintopf, der Paris war, konnte der Mann praktisch alles sein.
    Er mühte sich um Selbstvertrauen in seiner Stimme.
    »Vergeuden Sie meine Zeit nicht mit Drohungen, Serpent.
    Ihnen gefallen die Informationen, die Sie von mir erhalten, sonst würden Sie nicht dafür bezahlen. Und Sie wollen mehr, sonst hätten Sie nicht veranlaßt, mich kennenzulernen.«
    Er hörte ein heiseres, leises Lachen. »Die Häppchen, die Sie mir bisher zugeworfen haben, waren nützlich, aber banal im Vergleich zu dem, was ich nun möchte. Die nächsten Wochen will ich über jeden Schritt von Wellington und Castlereagh informiert werden, zudem erstatten Sie mir täglich über die Aktivitäten der Delegation Bericht.«
    »Ich bin nicht in der Position, dies alles zu wissen.«
    »Dann finden Sie jemanden, der es ist, mon Anglais.«
    Die Drohung in dem samtigen Tonfall war unmißverständlich. Nicht zum ersten Mal wünschte der Engländer sich, er hätte sich niemals in diese Sache verwickeln lassen. Aber es war zu spät für Reue - Le Serpent wußte schon zuviel über ihn. Dennoch wollte er nicht ganz klein beigeben. »Es wird mehr kosten. Die meisten der Angestellten reden überhaupt nicht, und die, dies tun, sind teuer.«
    »Sie werden Ihre Kosten erstattet bekommen, solange sie berechtigt sind. Ich zahle nicht für Ihre Huren und Ihre Spielleidenschaft.«
    Schweißperlen bildeten sich unter der Augenbinde, als der Engländer sich fragte, ob Le Serpent wußte, daß er von der Summe, die für die Informanten gedacht war, einen Teil abgezweigt hatte. Es war sicher nicht klug gewesen, diesen zu seinem eigenen Nutzen zu verwenden, aber wenn er die Spielschuld nicht bezahlt hätte, wäre seine Position in der Delegation verloren gewesen. Angespannt sagte er: »Darüber brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
    »Wie tröstlich«, sagte die Schlange mit unmißverständ-lichem Spott. »Schicken Sie Ihre Berichte über den üblichen Weg. Und vergessen Sie nicht: Ich will täglich Informationen, denn die Sache wird langsam ernst. Man wird Ihnen Bescheid geben, wenn ich Sie wiedersehen will. Gehen Sie jetzt.«
    Als sein Führer zurückkam und ihn aus dem Raum führte, grübelte der Engländer darüber, was hier gespielt wurde. Wenn er wüßte, was Le Serpent vorhatte, besäße er eine sehr nützliche Information.
    Das einzige Problem bestand darin, daß er sie nicht verkaufen konnte, bis er wußte, wer sich hinter Le Serpent verbarg. Aber wann gab es schon mal Geld ohne Gefahr?

    Kapitel 5
    ACHDEM INGE IHR beim Anziehen geholfen hatte, N entließ Maggie ihre Zofe und musterte ihr Spiegelbild mit nüchterner Distanz. Sie trug ein umwerfendes ko-rallenrotes Kleid, mit dem sie garantiert auffallen würde.
    Goldketten wanden sich um ihren Hals, und ihr leuchtendes Haar war in einen kunstvollen Knoten hoch oben auf dem Kopf zusammengesteckt.
    Da sie es ein bißchen steif fand, löste sie eine einzelne Locke, die sanft auf die nackte Haut ihrer Schulter rollte und dort wie eine subtile Einladung für einen Mann leicht auf und ab tanzte.
    Sie nickte sich zufrieden im Spiegel zu; sie hatte die perfekte Balance zwischen einer Lady und einer Kokotte erreicht.
    Es war noch nicht acht, und so hatte sie Zeit, über Rafe nachzudenken. Wichtig war, daß sie sich über ihre Gefüh-le klar wurde, bevor sie diese Charade begannen, denn sie hatte

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