Wie ein Blütenblatt im Sturm
Engländer bist, aber nenn mich niemals Margot. Das könnte Fragen aufwerfen, die gefährlich sein mögen.«
»Das wird mir schwerfallen, aber ich gebe mein Bestes.« Er lächelte leicht. »Seltsam - als du noch Engländerin warst, hattest du einen französischen Namen. Nun, da du so tust, als seist du Ungarin, läßt du dich in guter britischer Tradition Maggie nennen.«
»Wenn das nur das einzig Seltsame an mir wäre«, sagte sie mit einem übertriebenen Seufzen.
»Darf ich nach den anderen Dingen fragen?«
»Nicht, wenn Sie sich ein langes Leben wünschen, Eu-er Hoheit!« gab sie zurück.
Er wußte nicht, was ihren Stimmungswechsel bewirkt hatte, aber es war erleichternd, sie so entspannt und heiter vorzufinden, statt daß sie ihre Krallen ausfuhr. »Bitte nennen Sie mich doch Rafe, meine Liebe. Schließlich sollen wir vorgeben, uns bereits näher zu kennen.«
»Keine Sorge. Ich werde so überzeugend sein, daß du Mühe haben wirst, dir in Erinnerung zu rufen, daß wir nur ein Stück aufführen.« Die Sprache wechselnd fügte sie hinzu: »Wir sollten jetzt Französisch sprechen.«
Rafe lauschte interessiert. »Ist das Französisch mit einem Magyaren-Akzent?«
»Natürlich! Bin ich nicht eine ungarische Gräfin?« Sie fuhr mit einem anderen Akzent fort. »Allerdings ist es eine Schande, mein reines Pariser Französisch zu vergeuden«, - sie wechselte wieder - , »aber solange ich nicht mit einem englischen Akzent spreche, werde ich auch nicht auffallen.«
Es war erstaunlich, wie gut sie zwischen den drei Formen derselben Sprache hin- und herspringen konnte. Er konnte beurteilen, daß die Pariser und die englische Ver-sion unglaublich gut waren, und so war er gern bereit, den Magyaren-Akzent als ebenso makellos hinzunehmen.
»Wie zum Teufel machst du das?«
»Das ist ein Talent, mit dem ich geboren wurde, so etwas wie eine musikalische Begabung«, erklärte sie. »Ich kann jeden Akzent nachmachen, sobald ich ihn gehört habe. Wenn ich einmal damit angefangen habe, rede ich in dieser Art einfach weiter, bis ich bewußt wechsle.
Heute werde ich mich auf den Magyaren-Akzent beschränken, da die Leute mich so kennen.«
»Das ist wirklich eine Begabung«, sagte er bewundernd. »Und das erklärt, warum ein Preuße, ein Italiener und ein Franzose Lord Strathmore geschworen haben, du gehörtest ihrer Nationalität an.«
»Wirklich?« Sie lachte. »Wie du siehst, kann der Schuß nach hinten losgehen. Es ist nicht gut, zu viele Identitäten zu haben. Es besteht immer Gefahr, jemanden aus einer früheren Rolle zu treffen.«
Sie hielten in der Reihe der Kutschen, die vor der groß-
artigen, fackelbeleuchteten britischen Botschaft warteten. Kurz darauf standen sie in der Schlange, die am Begrüßungskomitee vorbeidefilierte. Der Duke of Wellington hatte das Gebäude ein Jahr zuvor von der Fürstin Borghese, Napoleons berüchtigter Schwester Pauline, gekauft.
Während sie langsam vorrückten, stellte sich Maggie auf Zehenspitzen und flüsterte Rafe verführerisch ins Ohr:
»Eine Skulptur der Fürstin Borghese stammt von dem be-rühmten Canova. Als eine ihrer Freundinnen sie fragte, wie sie es bloß ertragen könnte, nackt zu posieren, lächelte Pauline nur unschuldig und sagte, daß es überhaupt kein Problem gewesen wäre. Schließlich hätte ein Feuer im Atelierkamin gebrannt.«
Entschlossen, das Spiel so gut wie sie zu spielen, schob Rafe einen Arm unter ihre Stola und streichelte die glatte Haut darunter. »Stimmen denn all diese Geschichten über die Fürstin?« murmelte er.
Sie erschauderte wohlig, und er glaubte nicht, daß das gespielt war. Dann lachte sie leise und klimperte mit den Augenlidern. »Allerdings. Man sagt, sie habe genauso viele Männer wie ihr Bruder besiegt, wobei ihre Methoden etwas… sagen wir, intimer waren.«
Während Maggie weiter kleine Skandalgeschichten er-zählte, bewunderte Rafe ihre funkelnden Augen und ihre vollen weichen Lippen. Jeder, der zu ihnen hinsah, würde sie als frischverliebtes Paar, betrachten. Es fiel ihm gar nicht schwer, überzeugend zu wirken, denn seit dem Kuß am Tag zuvor brodelte es in ihm.
Während sie vorrückten, lag seine Hand an ihrer schlanken Taille. Nachdem sie Wellington, Castlereagh und die anderen Würdenträger begrüßt hatten, gesellten sie sich zu der plaudernden Menge im großen Empfangs-raum. Maggie blieb dicht bei ihm, eine Hand unter Rafes Ellenbogen geschoben, und so bahnten sie sich ihren Weg durch den großen Saal.
Er kannte die
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