Wie ein Blütenblatt im Sturm
zerknirscht. »Aber ich habe Sie eben mit Candover gesehen, und so wie Sie beide sich verhalten haben, dachte ich …« Sie endete mit einer unsicheren Geste. Ihr Gesicht wurde rot, als würde ihr erst jetzt bewußt, wie empörend ihre Frage gewesen war.
Maggie war plötzlich amüsiert. »Ich entnehme Ihrer Bemerkung, daß Sie persönliche Erfahrung mit den Talenten Seiner Hoheit haben?«
Die junge Frau senkte als Bejahung den Kopf. Sie muß-
te etwa fünfundzwanzig sein, aber ihre unbekümmerte und ungekünstelte Art ließ sie jünger erscheinen. »Mein Name ist Cynthia Northwood. Rafe war vor einiger Zeit sehr …
lieb zu mir, als ich unbedingt einen solchen Menschen au-
ßerhalb meiner Ehe brauchte.«
Maggies Interesse war geweckt. »Und nun ist Ihre Ehe besser geworden, und Sie brauchen so etwas nicht mehr?«
»Nein«, gab Cynthia zu, und ihr Blick wurde härter.
»Nun bedeutet meine Ehe mir gar nichts mehr, und ich ha-be woanders Zärtlichkeit gefunden.«
Maggie seufzte innerlich. Ihr Talent, in den Menschen die Bereitschaft zu wecken, ihre tiefsten Geheimnisse zu offenbaren, war ein Fluch und ein Segen. Sogar absolut Fremde wie dieses harmlose Mäuschen schienen zu glauben, sie könnte ihnen Rat und Lebenshilfe anbieten — oder wenigstens ein verständnisvolles Ohr leihen.
Die Kunst, Leute zum Reden zu bringen, war der Aktiv-posten eines Spions, aber wollte sie wirklich von den frü-
heren Mätressen des Dukes über dessen amouröse Abenteuer hören? In dem Versuch, von mehr Vertraulichkeiten abzulenken, sagte sie: »Ich bin Magda Gräfin Janos, aber vielleicht wissen Sie das ja schon.«
»O ja, hier scheint Sie jeder zu kennen. Ich bewundere Sie schon, seit Sie gekommen sind. Sie haben eine unglaubliche Ausstrahlung. Sie und Rafe bilden wirklich das Traumpaar hier. Er scheint ernsthaft in Sie verliebt zu sein, nicht wie sonst bei den anderen Frauen.«
Wie konnte man sich durch so ein naives Lob beleidigt fühlen? Dennoch blickte Maggie Cynthia ernst an. »Mrs.
Northwood, wissen Sie nicht, wie unschicklich solche Bemerkungen sind?«
Cynthia wurde erneut rot. »Meine verflixte Zunge! Meine Mutter starb, als ich noch klein war, und mein Vater hat mich immer ermutigt, höchst undamenhaft zu sagen, was mir durch den Kopf geht. Und … meinem Freund, Major Brewer, gefällt es auch. Er sagt, ich wäre nicht so geziert wie die meisten Frauen. Ich will Sie wirklich nicht beleidigen.« Aufrichtig sah sie Maggie in die Augen. »Und ich mag Rafe sehr gerne. Er sieht mit Ihnen so glücklich aus.
Und ich glaube nicht, daß er sehr oft glücklich ist.«
Wider besseres Wissen ließ sich Maggie in die Unterhaltung verstricken. »Ganz sicher hat Candover alles, was ein Mann sich wünschen kann: hohe Geburt, Vermögen, Intelligenz, genug Charme und Lebensart für drei. Wie kommen Sie darauf, daß er nicht glücklich ist?«
»Er kommt mir immer ein wenig gelangweilt vor.
Durchaus höflich, aber nicht wirklich an dem interessiert, was er tut. Natürlich«, setzte sie traurig hinzu, »kann es sein, daß er nur bei mir so war. Ich weiß, er hat mich niemals für besonders umwerfend gehalten. Ich könnte mich niemals mit seiner Intelligenz messen. Er hat sich nur mit mir eingelassen, weil er zu der Zeit nichts Besseres zu tun hatte.«
Maggie lauschte Cynthias Worten mit fasziniertem Entsetzen und einem gewissen Respekt. Vielleicht steckte mehr in der Person, als sie zuerst gedacht hatte. »Mrs.
Northwood, Sie sollten solche Dinge wirklich keinem Fremden anvertrauen.«
»Nein, das sollte ich nicht. Aber seit wir in Paris angekommen sind, habe ich so gut wie alles falsch gemacht, und ich habe den festen Vorsatz, es noch schlimmer statt besser zu machen.« Sie reckte ihr Kinn vor und setzte hinzu: »Gräfin Janos, es tut mir aufrichtig leid, wenn ich Sie in Verlegenheit gebracht habe. Ich hoffe, Sie glauben mir, daß ich Ihnen und dem Duke o f Candover alles Gute wünsche. Ich wünsche jedem Gutes, nur meinem Mann nicht.«
Dann ging sie, jedoch nicht ohne eine gewisse Würde.
Maggie schüttelte den Kopf, während sie über die seltsame Unterhaltung nachdachte. Wenn sie je eine Frau kennengelernt hatte, die sich zielstrebig in Schwierigkeiten brachte, dann war es Cynthia Northwood.
Kapitel 6
AFE WAR DURCHAUS in der Lage, auch einem so R dickfelligen Bauern wie Oliver Northwood einen Dämpfer aufzusetzen, aber er hielt sich zurück. Northwood hoffte offenbar darauf, der Gräfin Janos vorgestellt zu werden, und
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