Wie ein Blütenblatt im Sturm
Rafe empfand ein ungesundes Vergnügen dabei, wenn er daran dachte, wie Maggie wohl reagieren würde, wenn sie unerwartet mit ihrem ersten Liebhaber konfrontiert wurde. Natürlich vorausgesetzt, daß Northwood ihr erster gewesen war, wie er es behauptete.
Bei seiner Größe konnte Rafe Maggie mit Leichtigkeit ausmachen, als sie sich nun durch die Menge drängte und gelegentlich anhielt, um Bekannte zu begrüßen. Es sah alles zufällig und locker aus, bis sie bei einem blonden Mann in der Mitte des Saales stehenblieb.
Normalerweise hätte Rafe sich nichts dabei gedacht, doch seine Wahrnehmungsfähigkeit war durch diese Mission geschärft worden. Einen Augenblick lang ließ Maggie ihre Maske fallen, und ihre Miene drückte intensive Konzentration aus. Dann setzte sie ihren Weg fort.
Der Blonde stand mit dem Rücken zu Rafe, aber als Maggie sich von ihm trennte, wandte er sich um, um ihr nachzublicken. Überrascht erkannte Rafe Robert Anderson, den kleinen Angestellten der britischen Botschaft, der ihn der mysteriösen Spionin vorgestellt hatte. Luden hatte Maggie angewiesen, mit niemandem aus der Delegation außer denen an der Spitze zu sprechen. Was also hatte sie so ernsthaft mit Anderson zu bereden?
Rafe wünschte sich, er wüßte, an wen Anderson ihn erinnerte. Der Kerl hatte neulich zwar nichtssagend und ein wenig beschränkt gewirkt, doch sein Gesichtsausdruck, als er Maggie hinterhersah, war scharfsichtig und intelligent.
Als eine lächelnde Maggie an seine Seite trat, überlegte er, ob dieser Ausflug in die Spionage ihn übermäßig miß-
trauisch machte. Bald würde er noch alles und jeden verdächtigen. Kein Wunder, daß Maggie auf der Hut und nervös gewesen war, als sie sich wiedergetroffen hatten. Nach langen Jahren in dieser Schattenwelt der Informationsbeschaffung mußte sie ja vergessen haben, wie das normale Leben war.
Maggie legte Rafe eine Hand auf den Arm und sah ihn an. »Können wir gehen, mon cher? Hier ist alles ein wenig öde und oberflächlich, und ich kann dir zu Hause nettere Dinge bieten.«
»Alles, was du willst, Magda, meine Liebe.« Rafe legte seine Hand über ihre. »Aber laß mich dir zuerst jemanden vorstellen, der dich bewundert. Dies ist Oliver Northwood von der britischen Delegation. Northwood, Gräfin Janos.«
Maggies Selbstbeherrschung war großartig. Obwohl Rafe sie genau beobachtete, konnte er als Reaktion nur ein schwaches Zusammenpressen der Lippen erkennen.
Natürlich, sie hatte höchstwahrscheinlich gewußt, daß er in Paris weilte, und sich bereits längst mental auf ein Zusammentreffen eingestellt.
Oder hatte sie so viele Liebhaber gehabt, daß der erste ihr nichts bedeutete? Sehr wenige seiner früheren Mätressen konnten Rafe aus der Ruhe bringen. Warum sollte Maggie anders sein?
Ja, warum erwartete er eigentlich, daß sie anders war?
Northwood verbeugte sich und sagte einschmeichelnd:
»Es ist mir eine große Freude, Sie kennenzulernen, Grä-
fin. Ich bin in der Tat ein Bewunderer Ihrer Person.«
Maggie nahm seine Worte mit einem kühlen Nicken zur Kenntnis. Sie hatte einige Augenblicke gebraucht, um ihn zu erkennen. Als junger Mann war er nicht ohne einen gewissen prahlerischen Charme gewesen, doch die Jahre hatte ihn ungehobelter gemacht. Seine Taten schienen sein Gesicht gezeichnet zu haben, und seine Augen erinnerten sie an Maden: kalt, feucht, schleimig.
Sie mochte ihm die Hand nicht reichen.
Er mußte Cynthia Northwoods Gatte sein. Arme Cynthia. Sie war gewiß zu jung und unschuldig gewesen, um zu erkennen, was für einen Mann sie heiratete.
Northwood fügte nun mit aufgesetzter Galanterie hinzu: »Unsere kleine Insel im Norden schafft es leider nicht, solche Schönheiten wie Sie hervorzubringen.«
Aus dem kurzen Zucken von Rafes Lippen schloß Maggie, daß ihn Northwoods Irrtum amüsierte. Zuckersüß lä-
chelnd antwortete sie: »Sie gehen mit Ihren Landsmän-ninnen zu hart ins Gericht, Mr. Northwood. Ich habe soeben eine der entzückendsten Rosen Englands kennengelernt. So ein wundervoller Teint und eine so herrlich direkte Art!« Sie zog die Brauen zusammen, als müßte sie sich erinnern. »Aber … ja - ich bin sicher, sie sagte, ihr Name sei Northwood. Cynthia Northwood?«
Seine Miene wurde säuerlich. »Man sagt, meine Frau sähe gut aus.«
»Sie sind zu bescheiden, Monsieur.« Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln und fuhr fort: »Es war mir ein Vergnü-
gen, Sie kennengelernt zu haben. Sicher werden unsere We-ge sich bald
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