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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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erfahrenem, scharfen Blick jeden Neuankömmling. Da ihr zu gefallen schien, was sie in Rafe sah, kam sie um den Tisch herum, um ihn persönlich zu begrüßen. »Guten Abend, Milord. Sind Sie zum Essen, zum Spielen oder vielleicht wegen der oberen Etage hier?«
    Oben bedeutete Frauen von etwas höherem Niveau als die auf der Straße. Mit etwas Glück würden sie pocken-frei sein und ihren Kunden nicht die Brieftaschen stehlen. »Ich habe gehört, daß man hier gut spielen kann, Madame. Vielleicht werde ich später auch etwas essen.«
    Die Frau nickte und führte ihn durch den Speisesaal in den Spielsalon. Dieser sah aus wie jeder andere Spielsalon, in dem Rafe gewesen war. In einer Ecke stand ein Rouge-et-Noir-Tisch, in einer anderen ein Roulette. Andere Tische waren für Kartenspiele wie Faro und Whist vorgesehen.
    Das Publikum bestand aus einem bunten Durcheinander von Gästen jeglicher Art: von jungen, unschuldigen Bürschchen bis zu den gerissenen Schwerenötern, die sie ausnehmen wollten, war alles vorhanden, und die ver-qualmte Atmosphäre vibrierte in der verzweifelten Erregung der ernsthaften Spieler. Das gedämpfte Gemurmel wurde durchdrungen von dem Klappern der Würfel und dem weichen Klatschen von Karten auf grünem Filz. Alles in allem eine typische Lasterhöhle und nicht einmal von der Art, die Rafe attraktiv fand.
    Nun, er war schließlich nicht zum Vergnügen hier, also verbrachte er die nächsten zwei Stunden damit, an verschiedenen Tischen zu spielen. Whist war das einzige Spiel, das er mochte, da es hier eher um Geschick als um Glück ging, daher mied er den Whisttisch, um nicht zu sehr abgelenkt zu werden. Über Würfel, Karten und Roulette tauschte er gelegentliche Kommentare mit den anderen Spielern aus, wobei er mehr lauschte, als selbst sprach.
    Die Unterhaltung war größtenteils politisch, was nicht verwundern konnte. Dennoch hörte er bloß das Gerede, das überall in Paris zu belauschen war. Dieses besondere Etablissement wurde von einer Mischung aus Franzosen und Ausländern besucht, aber wenn es Extremisten unter ihnen gab, dann hielten sie schön ihren Mund.
    Eine Stunde nach Mitternacht war Rafe soweit, den Abend zu beschließen und ein wenig frische Luft zu schnappen, als seine Aufmerksamkeit von einem dünnen, dunkelhaarigen Mann am Rouge-et-Noir-Tisch eingefangen wurde. Der Mann hatte zuvor gewonnen, aber das Blatt hatte sich gewendet, und nun hatte die Bank sich alles zurückgeholt. Eine lange Narbe über seiner Wange leuchtete bläulich im Kerzenschein, als der Mann in seine Innentasche griff, um den letzten Einsatz herauszuziehen.
    Trotzig knallte er einen Stapel Geld auf den roten Diaman-ten.
    In der plötzlichen Stille, die sich manchmal über einen vollen Raum legt, schien jedermann hinüberzustarren.
    Rafe befand sich zu weit weg, um die Karten erkennen zu können, aber als der Mann ein paar Minuten später einen Jubelschrei ausstieß, war nur allzu deutlich, daß er gewonnen hatte.
    Normalerweise hätte Rafe sich nicht weiter dafür interessiert, aber der Mann neben Rafe sagte plötzlich: »Sieht aus, als wäre Lemercier wieder flüssig. Der Mann hat das Glück des Teufels.«
    Der Name klang vertraut, und nach einem Augenblick fiel es Rafe auch wieder ein: Auf der Liste der Nebenver-dächtigen, die Maggie ihm gegeben hatte, stand ein Lemercier, ein Bonapartisten-Offizier, wenn er sich recht erinnerte. Rafe musterte den narbengesichtigen Mann, als dieser sich vom Spieltisch erhob. Der Kerl hatte jedenfalls eine militärische Haltung, blieb herauszufinden, ob es sich um Capitaine Henri Lemercier handelte.
    Der Mann kam durch den Raum, und Rafe sprach ihn wie beiläufig an. »Darf ich Ihnen ein Glas spendieren, um zu feiern, daß Sie die Bank gesprengt haben?«
    Der Kerl grinste. »Sie dürfen. Sie haben selbst ein paar Kröten an die Bank verloren, hm?«
    Die Bedienung stellte ihnen eine Flasche schlechten Portweins im Café-Teil des Etablissements hin. Rafe stellte fest, daß der Mann in der Tat Henri Lemercier und der Port nicht sein erster Drink an diesem Abend war.
    Mit sinkendem Portspiegel in der Flasche erfuhr Rafe, daß der Capitaine alle Deutschen, Russen und Engländer haßte - Anwesende natürlich ausgeschlossen -, und daß er ein Teufelskerl war. Bald prahlte er von den zahllosen Malen, in denen er durch seine stählernen Nerven gewonnen hatte, wenn sich schon andere Männer längst aus dem Spiel zurückgezogen hatten.
    Es war keine besonders spannende Unterhaltung,

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