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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Jo Putney
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obwohl Rafe aufmerksam zur Kenntnis nahm, daß Lemercier im Café Mazarin häufig zu Gast war. (»Wenigstens ist man an den Tischen gewöhnlich ehrlich, mein englischer Freund.«)
    Lemercier hatte das nervöse Gehabe und den her-umjagenden Blick eines Frettchens. Wahrscheinlich war er der geborene Spieler, der für Geld praktisch alles tun würde. Wenn der Capitaine politische Überzeu-gungen besaß, konnte man sie leicht den persönlichen Interessen zuordnen. Es war absolut möglich, daß dies der Franzose war, den Maggies Kontaktperson am Abend zuvor belauscht hatte. Wenn ja, wer mochte dann der Ausländer sein, mit dem Lemercier gesprochen hatte?
    Nach einer halben Stunde geduldigen Zuhörens entschied Rafe, daß er vermutlich nichts mehr erfahren würde. Er verabschiedete sich mit den unvermeidlichen Beteuerungen gegenseitiger Wertschätzung und dem Ausdruck der Hoffnung, sich in Zukunft öfter im Mazarin zu treffen. Rafe notierte sich in Gedanken, das Café frü-
    her aufzusuchen, falls er noch einmal mit Lemercier sprechen wollte. Der Mann war betrunken nicht besonders interessant.
    Dann bezahlte Rafe den Port bei der schmuckbehängten Dame hinter dem Tresen. Bevor er die Treppe hinunterging, warf er noch einen letzten Blick durch den Raum. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, als er den blonden Mann entdeckte, der sich den nun leeren Stuhl gegenüber von Lemercier nahm. Rafe hatte keine Mühe, den Kerl zu identifizieren, der jetzt ernsthaft mit dem Franzosen zu reden begann.
    Es war Robert Anderson, der allgegenwärtige kleine Angestellte aus der britischen Delegation. Maggies Liebhaber.

    Der Engländer war nervös, auch wenn er die Fahrt mit verbundenen Augen zuvor schon unternommen hatte. Der Befehl von Le Serpent war ohne eine Erklärung dafür gekommen, warum seine Anwesenheit verlangt wurde. Einmal mehr wurden Kreise durch Paris gezogen, und seine schweigsame Begleitung verweigerte jegliche Konversa-tion, bis sie ihr Ziel erreicht hatten. Diesmal jedoch befahl ihm die zischende Stimme, die Binde abzunehmen.
    Der Engländer empfand beißende Furcht, daß der Befehl bedeuten mochte, er würde hier nie wieder heraus-kommen, doch ein heiseres, leises Lachen beruhigte ihn.
    »Keine Angst, mon Anglais, Sie werden mich nicht erkennen. Aber Sie brauchen Ihre Augen, um mir etwas zu zeigen.«
    Er zog die Binde ab und fand sich in einem finsteren Raum wieder, der nur durch das schwache Licht einer einzigen Kerze erhellt wurde. Ein Tisch und zwei Stühle befanden sich darin. Le Serpent saß hinter dem Tisch, sein Gesicht war maskiert und der ganze Körper in einen schweren, schwarzen Umhang gehüllt, so daß es unmöglich war, zu sagen, ob er groß oder klein, dick oder dünn von Gestalt war.
    Ohne sich mit Präliminarien aufzuhalten, sagte die schwarze Gestalt: »Zeichnen Sie mir eine detaillierte Skizze der Ställe der britischen Botschaft. Seit Fürstin Borghese das Gebäude an Wellington verkauft hat, wurden Veränderungen vorgenommen, und ich muß sie kennen.
    Ich bin insbesondere daran interessiert, wo Castlereaghs Pferde untergebracht sind. Beschreiben Sie mir genau, wie die Tiere aussehen und was sie für ein Temperament haben.«
    Die Augen des Engländers weiteten sich. »Sie schmieden Pläne gegen Castlereagh? Wenn ihm etwas passiert, bricht die Hölle los. Wellington ist sein bester Freund, und er würde die ganze britische Armee losschicken, um den Mörder zu finden, wenn es nötig ist.«
    Und eine genaue Untersuchung der Umstände, wenn es zu einem >Vorfall< kam, konnte sich durchaus zuun-gunsten des Engländers auswirken. Nur die Tatsache, daß niemand auch nur einen Hauch des Verdachts gegen ihn hegte, hatte es ihm bisher möglich gemacht, Informationen weiterzugeben.
    Le Serpent schien erneut seine Gedanken lesen zu können, denn er lächelte bösartig. »Sie brauchen sich um Ihren elenden Hals keine Sorgen zu machen. Was immer Castlereagh passiert, wird wie ein Unfall aussehen. Und bald wird auch der erlauchte Duke nicht mehr in der La-ge sein, Nachforschungen anzustellen.«
    Während der Engländer die Pläne der Ställe und des Hofs zeichnete, begannen seine Gedanken zu rasen. Die Sache hörte sich an, als wollte sein furchtbarer Gastgeber beide führenden Köpfe erledigen, was interessante Konsequenzen haben würde. Auf Wellingtons Leben waren bereits einige plumpe Anschläge verübt worden, aber ein Attentat durch Le Serpent hatte nichts Plumpes an sich. Die Frage war nur: Wie konnte er sich

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