Wie ein Blütenblatt im Sturm
nur die arme Witwe.
Da machen die Leute schon einmal Zugeständnisse.«
Rafe begleitete sie in ihr Haus, dieses Mal, ohne die Kutsche wegzuschicken. Einen Augenblick lag Unsicherheit in der Luft, als überlegte er, ob er sie küssen sollte oder nicht.
Da sie nicht wagte, es herauszufinden, wandte Maggie sich hastig ab und ging zum Schachbrett, wo sie kurz darauf ihre Partie fortsetzten. Ob irgend jemand in Paris glauben würde, daß sie die stillen Stunden mit Rafe mit Schachspiel verbrachte? Sie selbst hatte ja schon Mühe, es zu glauben.
Das Spiel verlief in langen Pausen und konzentrierter Überlegung, und schließlich endete es remis. Maggie fand es passend: Es war ein Symbol für ihre Beziehung zuein-ander.
Als die Partie vorbei war, stand Rafe auf. »Ich fahre zum Palais Royal, um zu sehen, ob ich diese mysteriösen Verschwörer finden kann. Das Gespräch ist im Café Mazarin belauscht worden?«
Maggie nickte und folgte ihm zur Vordertür. Groß, stark und selbstsicher ragte er vor ihr auf. Ganz sicher wä-
re er beleidigt gewesen, wenn sie mangelndes Vertrauen in seine Fähigkeiten gezeigt hätte. Dennoch hatte sie den absurden Wunsch, ihn zur Vorsicht zu mahnen.
Rafe schien ihre Gedanken lesen zu können. »Hab’ keine Angst, ich mache keinen Unsinn.« Er hob ihre rechte Hand und küßte sie; nicht auf die leichte, formelle Art, sondern warm und gefühlvoll.
Dann war er fort. Maggie ballte unwillkürlich die Hand zur Faust, als wollte sie das sinnliche Kribbeln auf ihrer Haut verscheuchen. Mit beißendem Spott sagte sie sich, daß er vermutlich in seinen Bettpfosten Kerben schnitzen mußte, um nicht die Übersicht über die Frauen zu verlieren. Wenn überhaupt noch ein Bettpfosten frei war.
Angespannt eilte sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Wenn es um Rafe ging, war ihr Sinn für Humor wirklich keine Quelle des Vergnügens.
Das Palais Royal hatte eine lange, abwechslungsreiche Vergangenheit. Ein Teil war von Kardinal Richelieu erbaut worden, und allerlei königliche Verwandte hatten dort gewohnt. Kurz vor der Revolution hatte der Duc de Chartres um die Gärten große Bauten hinzufügen lassen, wobei die unteren Etagen als Läden, die oberen als Wohnungen ver-mietet wurden.
In diesen Tagen war das Palais Royal das absolute Zentrum der Zersetzung Frankreichs, in dem jede Form des Lasters zu kaufen war. Von außen war der Bau der einzige gutbeleuchtete Ort in Paris, und Müßiggänger jeder Nation waren unter den Arkaden und bei den Säulen zu sehen.
Die anwesenden Frauen waren eindeutig von zweifelhaf-tem Ruf, und eine von ihnen kam nun auf Rafe zu, als er aus der Kutsche stieg. Er überlegte mit mildem Interesse, was ihr tiefausgeschnittenes Kleid davon abhielt, von ihrem Körper zu fallen. Ein Glück für sie, daß der Abend warm war, sonst hätte sie sich wahrscheinlich eine Lun-genentzündung geholt.
Sie war lange genug im Geschäft, um die Nationalität und den Reichtum eines Mannes auf den ersten Blick abschätzen zu können. »Sucht der englische Milord Spaß und Vergnügen?« fragte sie heiser und mit einem Akzent, der ihre provinzielle Herkunft verriet. Eine dicke Schicht Make-up konnte die Falten im Gesicht nicht verbergen.
Rafe ließ sich seinen Widerwillen nicht anmerken. Sie war eine ordinäre, unattraktive Person, und jeder, der sich auf ihren Charme einließ, würde wahrscheinlich die Pok-ken riskieren, doch sie war weder besser noch schlechter als die gut fünfzig Frauen, die durch die Arkaden schlenderten. Was die Sache an sich betraf, unterschied sie sich gar nicht besonders von den großen Damen der Gesellschaft, nur daß ihr Preis niedriger und ehrlicher war.
Höflich sagte er also: »Ich glaube, ich möchte heute abend lieber mein Glück erproben. Wie ich gehört habe, kann man im Café Mazarin gut spielen.«
»Das Café ist da entlang.« Sie warf den Kopf kokett zurück und fügte hinzu: »Dann brauchst du vielleicht später Gesellschaft, mit der du feiern oder dich trösten kannst?«
»Vielleicht.« Während er sich durch eine Menge alliierter Offiziere drängte, entdeckte Rafe ein Schild, das auf das Café hinwies. Unten im Haus befand sich ein Ju-weliergeschäft, das noch geöffnet hatte, falls ein glücklicher Spieler Lust bekommen würde, seinen Gewinn in ir-gendwelchen Tand umzutauschen und eine Dame damit zu umwerben.
Neben dem Laden führte eine düstere Treppe hinauf zum Café. Eine geschmacklos gekleidete Frau residierte an der Theke und musterte mit
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