Wie ein boser Traum
aus dem Ort mochten sie, aber sie war eine verdammt gute Stylistin, und so duldeten die meisten sie – zumindest vordergründig.
Schließlich ging Misty zu ihrem Stuhl zurück. »Wenn ich mich recht erinnere, ging das Gerücht«, ihre haselnussbraunen Augen wirkten vergrößert hinter ihren flaschendicken Gläsern, als sie sich verstohlen im Laden umsah, »dass Austin in Wirklichkeit unschuldig war.«
Justine reagierte angespannt. Sie drehte sich um und sah ihre Freundin völlig entgeistert an. Aufgeregt oder nicht, diese Bemerkung ging zu weit. »Emily Wallace hat gesagt, dass er schuldig ist.« Ihr Tonfall brachte ihre Empörung deutlich zum Ausdruck. Allein schon der Gedanke, dass Misty einen solchen Blödsinn laut aussprechen konnte, und dann auch noch beim Friseur!
Misty legte eine Hand an den Hals. »Oh, Justine, so habe ich das doch nicht gemeint. Natürlich war er schuldig.« Sie streckte den Arm aus und drückte Justines Hand; ihre Miene war ein Muster an Bedauern, der Anflug von Genugtuung in ihrem Blick machte diesen Effekt allerdings zunichte. Sie liebte es, Momente wie diesen zu manipulieren. Nur so schaffte sie es, wirklich auf sich aufmerksam zu machen.
Megan meldete sich zu Wort. »Heather war auch meine Freundin, wie Emily. Wenn sie gesagt hat, dass er schuldig ist, dann ist das auch so.« Das war beinahe die schärfste Kritik, die Megan gegenüber einem Mann vorbrachte, selbst wenn er ein rechtskräftig verurteilter Mörder war.
Die anderen bekräftigten Megans Auffassung mit zustimmenden Lauten und besänftigenden Bemerkungen.
Durch ihre Tätigkeit als Trainerin der Cheerleader-Teams hatte Justine Heather und Emily gut gekannt, ebenso den Rest der Anwesenden, ausgenommen Jean natürlich. Deshalb hatte ihre Meinung Gewicht. »Clint Austin hat Heather Baker kaltblütig ermordet«, sagte sie und warf einen gestrengen Blick auf Misty. Absolute Stille breitete sich im Salon aus, während alle gespannt darauf warteten, was nun kommen würde. »Emily hat sein Schicksal bei dem Prozess besiegelt.« Justine sah von einem erwartungsvollen Gesicht zum anderen. »Ihr alle wisst, dass sie seitdem nicht mehr dieselbe ist. Vor dem Hintergrund fehlender stichhaltiger Beweise hätte man ihn meiner Ansicht nach ohne ihre Zeugenaussage laufen lassen.«
Megans Augen weiteten sich vor Schreck. »Du glaubst doch nicht, dass er deshalb zurückgekommen ist, oder? Um Emily etwas anzutun?«
»Nein«, gab Cathy zurück. »Mike und Ray sind an der Sache dran. Jeder Polizist ist angewiesen, ein Auge auf Clint Austin zu werfen. Er wird bestimmt keine Chance bekommen, irgendjemandem etwas anzutun.«
Alle Blicke richteten sich erneut auf Justine, die Cathys Argument sicher sofort widerlegen würde. Doch Justine drehte nur die Handflächen nach außen und gab eine
schlichte Wahrheit zum Besten: »Ich habe keine Ahnung, warum Clint Austin wieder da ist. Aber ich an Emily Wallaces Stelle wäre zu Tode erschrocken.«
4
Friedhof Cedar Hill
18.00 Uhr
Emily folgte ihm.
Es wäre zwar immer noch früh genug, wenn sie sich erst morgen die Informationen zu Bewährungsverstößen und die daraus resultierenden Konsequenzen besorgte. Aber sie musste schon jetzt damit anfangen, Austins Bewegungen zu folgen. Seit über einer Stunde fuhr er schon umher. Sie war sich ziemlich sicher, dass er seine Beschatterin bemerkt hatte, aber er hatte nicht versucht, sie abzuhängen oder zur Rede zu stellen. Er war einfach immer weitergefahren. Schließlich war er in die Stadt zurückgekehrt, hatte Donnas Blumenladen betreten und war dann hierhergekommen.
Zum Friedhof.
Damit hatte Emily nicht gerechnet. Nur Menschen mit Herz machten sich die Mühe, die Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen. Austin hatte kein Herz.
Dennoch, er hatte das Grab seiner Mutter gefunden, hatte die Blumen, die er gekauft hatte, auf den Grabstein gelegt und stand seitdem davor. Mittlerweile seit einer halben Stunde.
Schließlich war Emily aus ihrem Auto ausgestiegen.
Nachdem sie ziellos herumspaziert war und ihn dabei im Auge behielt, war sie an Heathers Grab gelangt. Der glänzende schwarze Grabstein aus Granit zeigte ein Relief von Heather als Senior, als Schülerin im letzten Schuljahr. Nur eine Woche vor dem Mord waren sie beide gemeinsam zu der Porträtsitzung gegangen.
Emily ließ sich auf die Knie sinken und strich mit der Hand über das Foto ihrer Freundin. Sie fehlte ihr so sehr. Sie hatten noch so viele gemeinsame Pläne gehabt: zum Beispiel als
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