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Wie ein boser Traum

Wie ein boser Traum

Titel: Wie ein boser Traum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Webb Debra
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dahin nie verspürte Art Wärme hatte sie durchströmt und sich zwischen den Schenkeln ausgebreitet.
    Wie durch eine plötzliche Stimme der Vernunft zur Ordnung gerufen, hatte Clint sich zurückgezogen, ihr kurz zugewunken und war dann wortlos gegangen. Sie hatte sich erniedrigt gefühlt. Doch selbst diese Episode hatte nicht dazu geführt, dass ihr Begehren nachließ.
    Ein tiefer Schatten fiel auf das Wagenfenster an der Fahrerseite und riss Emily aus ihren Gedanken. Sie sah hoch. Er stand direkt vor dem offenen Seitenfenster.

    Sie schrak zusammen.
    Warum hatte sie ihn nicht gehört?
    Ihr Hirn entsandte sämtliche angebrachten Fluchtbefehle, aber die Hände … die Finger verweigerten ihren Dienst.
    Ihr Herz pochte laut, das Blut rauschte ihr gleich einem Sturm in den Ohren, und sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Sie wusste einfach nicht, was sie als Nächstes tun sollte.
    Er blieb regungslos stehen, stand nur und wartete, dass sie irgendetwas tat oder sagte.
    Sie griff nach dem Zündschlüssel, doch plötzlich stand ihr Heathers Gesicht, in Stein gemeißelt auf dem Grabstein, vor Augen.
    Nein.
    Sie befand sich auf einer öffentlichen Straße. In einem freien Land. Sie durfte hier parken, wenn sie wollte, verdammt noch mal. Er durfte sie gar nicht anfassen, nicht ohne dass er es riskierte, gegen seine Bewährungsauflagen zu verstoßen.
    Sie sah ihn wütend an und riss die Tür auf. Er trat einen Schritt zurück, damit die Tür ihn nicht traf.
    Sie fasste Mut und tat, als wäre sie nicht zu Tode erschrocken. »Gibt’s ein Problem?«, fragte sie, blickte in Clints graugrüne Augen und stemmte die Hände herausfordernd in die Hüften. Er war kräftiger, als sie in Erinnerung hatte, größer, seine Schultern breiter. Und dann war da die Narbe, die seine Kinnpartie und die eine Wange verunstaltete. Wie mochte er sich die Narbe wohl zugezogen haben?
    Er wandte den Blick ab – so als traute er sich nicht, sie weiter anzuschauen oder ihre Frage zu beantworten.
Vielleicht hatte es ihn auch nur verwirrt, dass sie nicht davongelaufen war. Daran sollte er sich lieber gewöhnen, denn sie war nicht mehr das kleine, verängstigte Mädchen von früher.
    Er sah sie nochmals an und fragte schroff: »Was willst du von mir?«
    Ihr Puls flatterte. Seit zehn Jahren hörte sie zum ersten Mal seine Stimme. Zum ersten Mal seit der Gerichtsverhandlung, als er, nach den Plädoyers beider Parteien, von der Angeklagtenbank aufgestanden war und den Geschworenen gesagt hatte, welch großen Fehler sie begingen, wenn sie ihn schuldig sprächen. Er sei unschuldig, hatte er beharrt. Er hatte dagestanden, in dem billigen Anzug, den seine Mutter vermutlich auf Empfehlung seines Pflichtverteidigers hin gekauft hatte, und hatte jedem Geschworenen ins Gesicht geschaut. Er hatte jung, demütig und … ängstlich ausgesehen.
    Emily hatte es kaum bemerkt. Sie hatte ihre ganze Kraft darauf konzentriert, dass er bekam, was er verdiente.
    Eine altvertraute Wut stieg in ihr auf. Das einzige Gefühl, das sie offenbar in seiner ganzen Tiefe zu empfinden vermochte. »Was ich will?« Sie lachte, als wäre sie erfüllt von bitterer Verachtung. Er wollte es nicht wirklich wissen, aber weil er gefragt hatte, sagte sie es ihm eben auf den Kopf zu. »Ich will, dass du einen Fehler machst. Dass du ins Gefängnis zurückgehst, und zwar für den Rest deines wertlosen Lebens.« Sie presste die Lippen zusammen, die zu zittern begannen, während die Wut sich weiter in ihr entfaltete. »Ich will, dass du für das büßt, was du getan hast, bis du deinen letzten erbärmlichen Atemzug tust.«

    Sie zwinkerte die brennenden Tränen weg. Gott, niemals würde sie vor ihm weinen. Sie hatte genug geheult, und es hatte gar nichts geändert. Heather war noch immer tot … sie war noch immer wie tot.
    Zum ersten Mal wurde ihr klar, wie tot. Ihr Leben war eine Straße, die nirgendwohin führte. Sie fühlte nichts. Sie war nichts. Und die Ursache dafür war er.
    Er wollte sich abwenden, überlegte es sich dann aber anders. Ein Muskel am Kinn zuckte, dann sagte er: »Sie sollten Ihre Bemühungen lieber darauf verwenden, Miss Wallace , herauszufinden, wer in jener Nacht sonst noch in Ihrem Zimmer war und ob es nicht vielleicht Sie waren, auf die man es abgesehen hatte. Abgesehen davon sollten Sie sich selbst den Gefallen tun und aufhören, Ihre Zeit mit mir zu verschwenden.«

6
    Dienstag, 16. Juli, 7.55 Uhr
     
    Ein Streifenwagen der örtlichen Polizei war zwar um sieben Uhr

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