Wie ein boser Traum
dann hätte er sie nur einzugeben brauchen, und das Tor hätte sich geöffnet, so aber drückte er die Ruftaste und wartete auf die Antwort. Dabei lächelte er in die Kamera, die strategisch oben auf der mächtigen Säule auf der linken Torseite angebracht war.
Eine ganze Minute verstrich, ehe es in der Lautsprecherbox knisterte. »Was zum Teufel willst du?«
Psycho-Sid. Clint verzog zufrieden den Mund. Die Stimme erkannte er unter Tausenden. Dass der Kerl nervös klang, stimmte ihn nur noch glücklicher.
»Ich hab mit deinem Daddy ein Hühnchen zu rupfen.« Clint tippte mit den Fingern aufs Lenkrad und wartete auf die Antwort.
Weitere fünfzehn Sekunden, dann: »Mein Vater ist tot.« Das klang nicht so, als wäre Sid besonders traurig über den Verlust seines Daddys gewesen. Sondern eher genervt wegen der nächtlichen Ruhestörung.
»Das heißt dann wohl, dass ich mit dir ein Hühnchen rupfen muss.« Hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.
Wieder verging ungefähr eine halbe Minute, ehe er das metallische Kratzen hörte, mit dem das Tor sich öffnete und langsam zur Seite glitt.
Clint gab gerade so viel Gas, dass der Wagen die gepflasterte Auffahrt hinaufrollte. Er parkte direkt vor dem Haus und stieg aus, ein bisschen überrascht, dass niemand ihn begrüßte. Sly Fairgate hatte immer mindestens vier Leibwächter um sich gehabt.
Vielleicht liefen seine Geschäfte ja nicht besonders gut. Vielleicht war er auch nur zu dämlich, Angst zu haben. Pech für ihn. Die Art von Verzweiflung, die seine Hauptgeschäfte am Laufen hielt, vorausgesetzt, es waren dieselben wie die seines Daddys, machte die Kundschaft eben unberechenbar.
Nicht, dass es Clint einen Dreck interessierte, ob jemand den Ganoven umpustete; er hatte es nur lieber, dass das noch ein paar Tage dauerte, weil er nämlich mit Sid und dessen totem Daddy noch offene Rechnungen begleichen musste.
Das Einzige, worauf man sich bei Leuten wie den Fairgates verlassen konnte, war, dass sie den Wert von Informationen erkannten. Alle Arten von Informationen. Und
keine, egal, wie schlecht sie für sie selbst war, nahmen sie je als gegeben hin. Und welche Geheimnisse der alte Sly auch immer mit ins Grab genommen hatte, er hatte sie seinem üblen Sprössling vor seinem Tod mit Sicherheit erzählt. Wissen war Macht. Das war die Überlebensregel für solche Leute.
Clint zählte auf diese solide Geschäftsmethode.
Die Haustür öffnete sich, und Bodyguard Nummer eins erschien. Der massige Kerl zeigte auf eine der aufragenden Säulen, die die Fassade des pompösen Hauses flankierten. »Beine spreizen«, befahl er. Er trug die übliche Uniform: schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, Headset, was ihn ein bisschen wie einen Geheimagenten aussehen ließ. Die Maskerade gab Fairgate wahrscheinlich das Gefühl, wichtig zu sein.
Clint legte beide Hände an die Säule und spreizte die Beine. Er kannte das schon. Er hatte anderen schon oft genug dabei zugesehen. Sein Outfit, Jeans, T-Shirt und die Sneakers, bot keine schlauen Verstecke, aber das ersparte ihm trotzdem nicht die gründliche Leibesvisitation vom Kopf bis zu den Füßen.
»Gehen wir.«
Clint richtete sich auf und ging durch die Haustür, Nummer eins folgte dichtauf. In der Eingangshalle warteten zwei weitere Gorillas. Aufgepumpte Muskulatur, die sie sich im Fitnessstudio antrainiert hatten, nicht die Art von sehnigen Muskeln, die man brauchte, wenn’s ums blanke Überleben ging. »Mr. Fairgate erwartet Sie in seinem Büro.« Der Gorilla grinste, bleckte die Zähne, wie ein Hund, kurz bevor er angriff. »Er sagt, Sie kennen den Weg.«
Clint ging geradewegs zur breiten Freitreppe in der
Mitte der Eingangshalle und stieg nach oben. Sly hatte sein Büro in einem der Zimmer im ersten Stock eingerichtet. Außerdem hatte er noch eine Sicherheitsebene zwischen sich und der Außenwelt eingezogen. Er hatte den ersten Stock so umbauen lassen, dass sein Büro exakt in der Mitte der sechshundert Quadratmeter in diesem Geschoss lag. Zum Büro gehörte zudem eine Schlafzimmer-Suite. Die Zimmer, in denen seine Leibwächter schliefen, lagen alle um seine Räume herum, bildeten so eine Art Schutzmauer zwischen ihm und jeder Außenwand.
Ein Eindringling müsste im wahrsten Sinne des Wortes erst an seinen Bodyguards vorbeikommen, um zu ihm zu gelangen, ob bei Tag oder Nacht.
Sly hatte kaum einmal sein Anwesen verlassen. Bei seinem Sohn war das wohl ähnlich, vermutete Clint.
Beiderseits der Doppeltür, die ins
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