Wie ein boser Traum
ihm wegzustoßen.
»Du hast zehn Jahre gewartet, mir das zu sagen? Scheiße noch mal.« Troy drückte fester zu. »Du Dreckskerl – du bist nicht besser als Austin.«
»Es tut mir leid«, rief Keith. »Ich bete jede Nacht, dass ich’s nicht getan habe, aber ich weiß es einfach nicht. Verdammt … ich weiß es einfach nicht.«
»Scheiße, dann bring dich doch selbst um und bring’s endlich hinter dich, du verdammter Feigling, weil ich nämlich dafür sorgen werde, dass du wünschtest, tot zu sein.«
Troy ließ Keith auf dem Boden liegen und ging zu seinem Pick-up.
Er war hier fertig. Um diese Art von Verrat runterzuspülen, brauchte er etwas verdammt viel Stärkeres als Bier.
27
302 Dogwood Drive
Montag, 22. Juli, 6.45 Uhr
Justine nahm sich einen Becher Joghurt, zog die Deckelfolie ab und steckte den Finger in die sahnige Erdbeermischung. Lutschte den Joghurt vom Finger und stöhnte wohlig.
Essen schmeckte immer besser nach einem belebenden Lauf.
Fast fünf Kilometer.
Eine heiß-kalte Dusche mit dem tollen neuen Duschgel, das sie absolut himmlisch fand, dann ein wenig Zeit im Evakostüm, damit ihre Haut richtig atmen konnte.
Sie spazierte unbeschreiblich gerne splitternackt in der Wohnung herum.
Barfuß tappte sie ins Wohnzimmer und zappte so lange mit der Fernbedienung, bis sie einen Nachrichtensender gefunden hatte. Dann legte sie sich aufs Sofa und brachte sich auf den neuesten Stand des Weltgeschehens, während sie ihren Joghurt löffelte.
Als es an der Haustür klopfte und sie kurz danach »Justine!« rufen hörte, war Schluss mit der Entspannung.
Was um alles in der Welt war denn jetzt schon wieder mit Misty passiert?
Höchst verärgert, stellte Justine den Joghurtbecher auf dem Sofatisch ab und schwang die Füße auf den Boden. So viel zum Thema Zeit für sich allein , bevor sie das Team um acht Uhr zum Training traf.
Sie schnappte sich die Überdecke vom Sofa und legte sie sich um.
»Justine!«
»Komme!« Herrgott, man könnte meinen, die Welt würde untergehen . Sie ging mit langen Schritten zur Tür und schloss auf. Sie und Misty waren seit ihrer Kindheit Freundinnen. Justine konnte es nicht ausstehen, wenn Misty sich so aufführte.
»Was ist denn los?«
Misty trug dieselben Sachen wie am Vortag. Das Haar war aus der Spange gerutscht, ein Wust von windzerzausten Zotteln. Wie konnte jemand, der so brillant war, bloß so wenig auf sein Äußeres achten?
»Ich … ich hab’s gerade gehört. Keith ist tot.«
Die Welt hörte auf, sich zu drehen; Justine war wie vor den Kopf geschlagen.
»Wie bitte?«
»Seine Leiche wurde vor etwa einer Stunde gefunden.«
»Was ist passiert?« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll, aber dagegen konnte sie nichts tun.
Misty hob die Hände. »Ich weiß es nicht genau.«
Justine zog die Tür weit auf. »Komm rein.«
»Ich wusste, dass du’s gleich erfahren willst«, plapperte Misty los. »Violet ist sicher am Boden zerstört.«
»Ja … das kann ich mir denken. Aber das kann doch nicht wahr sein … nicht Keith.«
Misty rieb sich mit den Händen die Arme rauf und runter, als wäre ihr kalt. »Es ist schrecklich. Wirklich schrecklich. Ich wollte bei dir sein. Aber ich wusste, du würdest außer dir sein.«
Justine schloss die Augen und zählte bis drei, und dann befahl sie sich, sich zusammenzureißen. In einer
Stunde musste sie ein Training leiten. Es war eine furchtbare Nachricht … aber vielleicht nicht völlig unerwartet, jetzt, da sie den ersten Schreck überwunden und darüber nachgedacht hatte. Keith war seit Austins Rückkehr nach Pine Bluff nicht mehr derselbe. Sie würde mit Ray reden müssen, um herauszufinden, ob es sich um Mord … oder Selbstmord handelte.
Als sie sich wieder gefasst hatte, schlug sie die Augen auf. »Möchtest du einen Kaffee?« Sie konnte einen gebrauchen, das stand fest.
Misty nickte. »Bitte.«
Justines Blick fiel kurz auf etwas Rotes oder Dunkelbraunes auf Mistys Arm. »Hast du dich verletzt?« Sie ergriff Mistys Arm und inspizierte ihn. Eine klaffende Wunde, am Ellbogen.
»Nur ein dummer Ausrutscher. Ich bin gestürzt. Ist nicht schlimm.«
Misty. Misty. Misty. »Hast du die Wunde gesäubert?« Die Antwort lag auf der Hand. Das Blut war aus der Wunde ausgetreten und getrocknet.
Sie hob unbekümmert die Schultern. »Ich hab’s vergessen.«
»Komm mit.« Justine führte Misty ins Bad und stellte die Dusche an. »Wenn das Wasser warm ist, stell dich unter die Dusche. Wasch dir die Haare, ich flechte sie dir
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