Wie ein boser Traum
Erlebten aus der Scheune flackerten in ihr auf. Was wollte er hier? Sicher, es war möglich, dass er extra zu diesem Supermarkt gefahren war, auch wenn Sack & Go näher für ihn lag. Aber seine Parkposition am Rand des Parkplatzes, so weit entfernt wie möglich vom Supermarkt – nicht in der Nähe der Zapfsäulen oder der Einfahrt bzw. Ausfahrt des Parkplatzes -, das deutete nicht auf einen simplen Einkauf hin.
Er beobachtete das Motel … beobachtete sie.
Noch ehe ihr Verstand einsetzen konnte, hatte sie die Tür aufgeschlossen und geöffnet. Sie stand da, auf dem Bürgersteig, vor der Tür, während Motten die Außenbeleuchtung umschwirrten, und blickte hinüber zum Pick-up.
Der Motor sprang an, die Scheinwerfer flammten auf. Sie legte die Hand vors Gesicht, um nicht geblendet zu werden. Was tat er denn jetzt?
Und wenn sie sich getäuscht hatte? Und wenn er es nun nicht war?
Sie bekam Herzflattern, als der Pick-up zurücksetzte, auf die Ausfahrt zuhielt und mitten über die Straße fuhr. Ihre Intuition riet ihr, sofort wieder ins Haus zu gehen und die Tür abzuschließen.
Sie tat es nicht.
Er war es tatsächlich. Sie spürte es, noch ehe die Straßenbeleuchtung die nötige Helligkeit spendete, so dass ihre Vermutung bestätigt wurde.
Er parkte den Wagen mehrere Türen entfernt von der Stelle, wo sie stand. Er stieg aus, blickte sofort in ihre Richtung und kam auf sie zu. Die Geräusche und Empfindungen des Vortags beeinträchtigten immer noch ihre
Denkfähigkeit. Ein Teil von ihr wollte zurückweichen, aber die Frau, die sich nach mehr von ihm sehnte, weigerte sich.
»Geh in dein Zimmer zurück«, sagte er schroff.
»Was machst du hier?«, fragte sie, ebenso schroff.
»Wir reden drinnen.«
Er blieb unmittelbar vor ihr stehen, bedrängte sie mit seinem kräftigen Körper. Plötzlich kam ihr der weiße Bademantel zu dünn vor … wie ein allzu durchlässiger Schutz gegen ihre Blöße.
Sie erwog kurz, ob es eine gute Idee war, mit ihm ins Zimmer zu gehen, aber dann kam ihr ein altes Sprichwort ihrer Großmutter in den Sinn. Sind die Kühe rausgelaufen, ist es zu spät, das Scheunentor zu schließen . Es war ja nicht so, dass er ihr etwas antun konnte, was er nicht bereits getan hatte. Oder umgekehrt.
Sie wandte sich um und ging hinein; er verschloss die Tür. Als er ihr wieder seine ganze Aufmerksamkeit zuwandte, lief ihr erneut ein Schauer über den Rücken. Er war glatt rasiert. Hatte offenbar geduscht und sich irgendwo umgezogen.
»Wieso siehst du mich so an?«
»Ich finde es nur fair, mal die Rollen zu wechseln. Du hast mich auch schon ausgiebig angeschaut.«
Sie fuhr sich durchs Haar und fühlte sich befangen, weil es noch feucht war. »Was willst du wirklich hier?« Es ist schon spät , setzte sie nicht hinzu. Ich kann mir einfach nicht trauen, wenn ich allein mit dir bin .
»Keith Turner ist tot.«
Sie verspürte einen Stich in der Brust. Es fiel ihr noch immer so schwer, es zu glauben. »Ich weiß.«
»Bevor die Polizei seinen Mörder nicht gefunden hat,
bist du nicht in Sicherheit. Der Brand war das eine, dabei ging es um mich, aber das hier ist etwas anderes. Hier geht es darum, die Spuren zu verwischen. Wer immer Keith getötet hat, hat vielleicht noch mehr vor.«
Sie verschwieg ihm, dass sie dasselbe gedacht hatte. Irgendwer hatte die Absicht, allen Spekulationen ein Ende zu setzen, indem er jeden beseitigte, der etwas wissen konnte. »Warum denkst du das?«
Er stand reglos da. Anders als in den Jahren zuvor, als er so selbstbewusst und so voller Charme gewesen war. Ob er wohl im Gefängnis gelernt hatte, so still zu sein, um nicht aufzufallen? Als sie daran dachte, was er ihretwegen hatte erdulden müssen, hätte sie ihm gegenüber gerne ihr tiefes Bedauern ausgedrückt.
»Bist du fertig, mich zu psychoanalysieren?«
Sie blickte ihn an. Spürte, dass die Hitze in ihr aufstieg. »Du wolltest mir sagen, warum ich deiner Meinung nach in Gefahr bin.« Sie durfte sich jetzt nicht ablenken lassen.
»Keith Turner wusste vielleicht Dinge, die er nie erzählt hat. Und wegen dieses Wissens hat man ihn womöglich umgebracht.«
»Das sind bloße Vermutungen«, gab sie zurück, wohl wissend, dass ihre eigenen Überlegungen keinen Deut weniger spekulativ waren.
Er nickte. »Ja. Aber er war ihr Freund, und sein Alibi war bestenfalls wacklig.«
Emily hob die Hände, damit er aufhörte. »Keith hätte Heather niemals etwas zuleide getan.« Sie hatte dies zwar ebenfalls bereits erwogen, aber
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