Wie ein einziger Tag
Aber wenn du nicht ganz und gar sicher bist, dann tu es nicht. Es gibt Dinge im Leben, die man nicht halbherzig tun sollte.«
Ihre Antwort kam fast zu schnell. »Ich habe die richtige Entscheidung getroffen, Noah.« Er musterte sie einen Augenblick, war nicht sicher, ob er ihr glauben sollte. Dann nickte er, und sie setzten ihren Weg fort. Nach einer Weile sagte er: »Ich mache es dir nicht leicht, was?« Sie lächelte schwach.
»Ist schon gut. Ich kann dir keinen Vorwurf machen.«
»Tut mir trotzdem leid.«
»Nicht nötig. Es gibt keinen Grund. Ich bin diejenige, die sich entschuldigen müßte. Vielleicht hätte ich dir schreiben sollen.«
Er schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, bin ich trotzdem froh, daß du gekommen bist. Trotz allem. Ich freue mich, daß du hier bist.«
»Danke, Noah.«
»Glaubst du, es wäre möglich, noch einmal von vom anzufangen?«
Sie schaute ihn verwundert an. »Du warst meine beste Freundin, Allie, und ich möchte, daß wir Freunde bleiben. Auch wenn du verlobt bist. Auch wenn es nur für ein paar Tage ist. Was würdest du davon halten, wenn wir uns sozusagen neu kennenlernten?«
Sie dachte nach, dachte nach, ob sie bleiben oder gehen sollte. Da er jetzt von ihrer Verlobung wußte, würde es schon in Ordnung sein. Oder wenigstens nicht ganz verkehrt. Sie lächelte scheu und nickte. »Das wäre schön.«
»Gut. Wie war's dann mit einem Abendessen? Ich weiß, wo's die besten Flußkrebse weit und breit gibt.«
»Klingt nicht schlecht. Wo?«
»Bei mir. Ich habe die ganze Woche Fallen aufgestellt und hab' gestern ein paar prächtige Exemplare drin gesehen. Was meinst du?«
»Hört sich nicht schlecht an.«
Er lächelte und wies mit dem Daumen über die Schulter. »Okay. Sie sind hinten am Steg. Ich brauche nur ein paar Minuten.«
Allie blickte ihm nach und merkte, wie die Spannung allmählich nachließ, seitdem sie ihm gesagt hatte, daß sie verlobt war. Sie schloß die Augen, strich sich mit den Fingern durchs Haar und spürte, wie die leichte Abendbrise über ihre Wangen strich. Sie atmete tief durch, hielt die Luft einen Augenblick an und fühlte, wie sich beim Ausatmen ihre Nackenmuskeln weiter entspannten. Als sie dann wieder die Augen öffnete, nahm sie die Schönheil, die sie umgab, voll in sich auf. Sie liebte Abende wie diesen, Abende, wenn der schwache Duft der Herbstblätter von milden Südwinden über das Land getragen wurde. Sie liebte die Bäume und ihre Geräusche, die wie Musik in ihren Ohren klangen. Nach einer Weile drehte sie sich nach Noah um und betrachtete ihn, fast wie ein Fremder es getan hätte.
Gott, sah er gut aus. Auch nach all den langen Jahren noch.
Sie beobachtete, wie er nach einem Seil griff, das im Wasser hing. Er begann, kräftig daran zu ziehen, und trotz des nachlassenden Lichtes sah sie, wie die Muskeln seiner Arme sich anspannten, während er den Käfig aus dem Wasser hob. Er tauchte ihn noch einmal in den Fluß, schüttelte ihn und ließ das meiste Wasser abfließen. Dann stellte er ihn auf dem Steg ab, öffnete ihn, nahm die Krebse einzeln heraus und setzte sie in einen Eimer.
Sie schlenderte gemächlich auf ihn zu, ließ den Blick schweifen und stellte fest, daß sie vergessen hatte, wie frisch und schön hier alles war. Sie schaute sich um und sah das Haus in der Feme. Noah hatte mehrere Lichter angelassen, und man hätte meinen können, es wäre das einzige Haus weit und breit. Auf jeden Fall das einzige mit Elektrizität. Hier draußen, außerhalb der Stadtgrenzen, gab es noch Tausende von Häusern ohne den Luxus von elektrischem Licht.
Sie trat auf den Steg, der unter ihren Füßen knarrte. Das Geräusch erinnerte sie an ein altes, verstimmtes Akkordeon. Noah schaute blinzelnd auf, bevor er sich wieder seinen Fallen widmete und prüfte, ob die Krebse die richtige Größe hatten. Sie ging zum Schaukelstuhl hinüber, der auf dem Steg stand, und ließ die Hand über das Holz der Rückenlehne gleiten. Sie malte sich aus, wie Noah hier aß, angelte, nachdachte oder las. Das Holz fühlte sich alt, verwittert und rauh an. Sie fragte sich, wie viele Stunden er hier allein verbracht haben mochte, welche Gedanken ihn dabei beschäftigt hatten. »Der Schaukelstuhl gehörte meinem Vater«, sagte er, ohne aufzublicken, und sie nickte stumm. Sie sah Fledermäuse vorüberhuschen und hörte Frösche und Grillen ihr abendliches Konzert anstimmen.
Sie lief zur anderen Seite des Stegs und spürte plötzlich, wie eine Last von ihr abfiel. Ein
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