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Wie ein einziger Tag

Wie ein einziger Tag

Titel: Wie ein einziger Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicholas Sparks
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als würde es von hinten angestrahlt. Ich weiß nicht, was der Grund dafür ist - Gedächtnisschwund vielleicht oder lediglich das Verrinnen der Zeit. Ich besitze nur ein Foto von ihm, und auch das ist verblaßt. In zehn Jahren wird es, wie auch ich, verschwunden sein, und die Erinnerung an ihn ist dann ausgelöscht wie eine Botschaft im Sand. Wären da nicht meine Tagebücher, ich würde schwören, ich hätte nur halb so lang gelebt. Lange Abschnitte meines Lebens scheinen ausgelöscht zu sein. Und selbst jetzt, während ich diese Passagen lese, frage ich mich, wer ich damals war, als ich sie niederschrieb, denn ich kann mich an die Ereignisse meines Lebens nicht erinnern. Manchmal sitze ich da und frage mich, wo all die Zeit geblieben ist.
    »Mein Name«, sage ich, »ist Duke«. Ich bin immer ein Fan von John Wayne gewesen.
    »Duke«, flüstert sie vor sich hin. »Duke.« Eine Weile denkt sie angestrengt nach, die Stirn in Falten, der Blick ernst.
    »Ja«, sage ich. »Ich bin nur für dich hier.« Und werde es immer sein, denke ich bei mir.
    Sie errötet bei meinen Worten. Ihre Augen werden feucht, und Tränen rollen über ihre Wangen. Mein Herz krampft sich zusammen, und ich wünsche zum tausendsten Mal, daß ich etwas für sie tun könnte.
    »Entschuldige«, sagt sie. »Ich verstehe nichts von dem, was jetzt mit mir passiert. Selbst dich verstehe ich nicht. Wenn ich dir zuhöre, ist mir, als müßte ich dich kennen, aber ich kenne dich nicht. Ich kenne nicht einmal meinen Namen.«
    Sie wischt sich die Tränen weg und sagt: »Hilf mir, Duke, hilf mir, mich zu erinnern, wer ich bin. Oder wenigstens wer ich war. Ich fühle mich so verloren «
    Meine Antwort kommt aus dem Herzen, doch ihren wirklichen Namen nenne ich nicht. Auch nicht den meinen. Das hat seine Gründe.
    »Du bist Hannah, die Lebensfreude, die Stütze all derer, die dir in Freundschaft zugetan sind. Du bist ein Traum, eine Schöpferin von Glück, eine Künstlerin, die die Seelen von Tausenden angerührt hat. Du hast ein erfülltes Leben geführt, nichts fehlte dir, denn deine Bedürfnisse sind geistiger Art, und du brauchst nur in dich selbst hineinzublicken. Du bist gut und vertrauenswürdig und erkennst Schönheit, wo andere sie nicht sehen. Du bist eine Lehrerin wunderbarer Dinge und Träumerin einer besseren Welt.«
    Ich halte einen Augenblick inne, um wieder zu Atem zu kommen. Dann sage ich: »Hannah, du brauchst dich nicht verloren fühlen, denn:
    Nichts ist für immer verloren, nichts verschwindet gänzlich, Keine Geburt, Identität oder Form - kein Teil aus dieser Welt, Weder Leben noch Kraft, auch kein sichtbares Ding; Der Körper lahm, gealtert, kalt - die Glut, die blieb von früheren Feuern, flammt, wie es sein soll, wieder auf.
    Sie denkt eine Weile über meine Worte nach. Während sie schweigt, schaue ich zum Fenster hinüber und bemerke, daß der Regen aufgehört hat. Sonnenlicht fällt ins Zimmer. Sie fragt:
    »Hast du das geschrieben?«
    »Nein, das war Walt Whitman.«
    »Wer?«
    »Ein Wortjongleur. Ein Sprachschöpfer.«
    Sie antwortet nicht sogleich, sondern schaut mich lange an, so lange, bis unser Atem im gleichen Rhythmus geht. Ein. Aus. Ein. Aus. Tiefe Atemzüge. Ich frage mich, ob sie wohl weiß, daß ich sie schön finde.
    »Möchtest du eine Weile bei mir bleiben?« fragt sie dann.
    Ich lächle zustimmend. Sie lächelt zurück. Sie ergreift meine Hand, zieht sie sanft an ihre Taille. Sie betrachtet die Knoten an meinen mißgestalteten Fingern und streichelt sie sanft. Ihre Hände sind noch immer die eines Engels.
    »Komm«, sage ich und erhebe mich mit Mühe. »Wir wollen einen Spaziergang machen. Die Luft ist frisch, und die kleinen Gänschen warten. Es ist ein herrlicher Tag heute.« Bei diesen letzten Worten sehe ich sie durchdringend an.
    Sie errötet. Und so fühle ich mich wieder jung.
    Natürlich war sie berühmt. Eine der besten lebenden Malerinnen der Südstaaten, sagten einige, und ich war stolz auf sie, bin es noch heute. Ganz anders als ich, der ich nur mit großer Mühe die simpelsten Gedichte fertigbrachte, konnte meine Frau mit der gleichen Leichtigkeit, mit der der Herr die Welt erschuf, Schönheit erschaffen. Ihre Bilder hängen in den bekanntesten Museen, nur zwei habe ich selbst behalten. Das erste, das sie mir schenkte, und das letzte. Sie hängen in meinem Zimmer, und spät abends sitze ich da, betrachte sie, und manchmal weine ich dabei. Warum, weiß ich nicht.
    Und so vergingen die Jahre. Wir lebten

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