Wie ein Flügelschlag
sein. Aber ich fürchte, daraus
wird nichts.« Sie wirft den Löffel in die Spüle und kippt
den Inhalt ihrer Schüssel in die Mülltonne. Als sie sich zu mir
umdreht, sehe ich Tränen in ihren Augen.
»Ich wollte einfach nur einen Kuchen backen. Aber ich kann
das nicht. Ich schaffe es nicht, eine ganz normale Mutter zu
sein.«
Sie greift nach ihrer Zigarettenschachtel.
Und ich schaffe es nicht, eine ganz normale Tochter zu sein
, füge
ich in Gedanken hinzu und stelle mein Kuchenpaket auf den
Tisch.
Und dann sitze ich mit meiner Mutter in der Küche und
sie raucht und ich kann keinen Kuchen essen, weil mir sofort
schlecht wird. Aber wir trinken Kaffee und fast ist es wirklich ein
bisschen wie früher.
Meine Mutter erzählt von ihren Kolleginnen im Baumarkt
und ein- oder zweimal muss ich sogar lachen. Ich überlege, wie
es wäre, wenn es immer so sein könnte, möchte ihr gerne von
Mika erzählen, aber dann fällt mir ein, dass es mit Mika und
meiner Mutter niemals so sein kann. Mika und diese Küche im
vierten Stock, in der sich der Zigarettenqualm ausbreitet, Mika
mit den Meeresaugen, ich kann ihn niemals hierher holen.
Ich wüsste gerne, was er mir morgen zeigen will, am liebsten
würde ich ihn sofort anrufen und ihn bitten, es mir jetzt schon
zu sagen. Aber ich habe auch Angst vor dieser Frage und Mikas
Antwort darauf, denn seine Stimme klang nicht so, als ob es
etwas Gutes wäre. Und ich habe Angst davor, die Enttäuschung
in seiner Stimme zu hören. Deshalb rufe ich ihn nicht an, um
diesen guten Augenblick hier in der Küche nicht kaputt zu machen,
um diesen Moment mit meiner Mutter noch ein wenig
länger zu genießen. Und dann ist ausgerechnet sie es, die alles
zerstört.
»Eigentlich ist es doch gut«, sagt sie und fummelt sich das
Tuch aus den Haaren.
Ich will ihr ins Wort fallen, bevor sie es aussprechen kann,
aber ich bin nicht schnell genug.
»Eigentlich ist es gut, dass alles so gekommen ist und dass du
jetzt wieder zu Hause bist.«
Ich starre sie an. Alles ist gut? Ich muss mich zwingen, nicht zu
schreien, und springe auf.
»Jana, was ist denn?«
»Ich muss weg.« Ich schiebe mich an ihr vorbei, gehe aus
der Küche ins Bad, hole meinen Schwimmanzug, der noch nass
über der Wanne hängt, und stopfe ihn in meinen Rucksack.
»Du willst jetzt noch schwimmen gehen?«
Ich ignoriere ihre Frage und schiebe mich an ihr vorbei.
Ich steige aus dem Bus und sehe ihm nach, wie er davonfährt. Es
war der letzte Bus hierher, den ich gerade noch erwischt habe.
Wenn ich wieder nach Hause will, werde ich mein Fahrrad holen
müssen, das im Keller steht.
Nach Hause. Erstaunt stelle ich fest, dass ich tatsächlich noch
so darüber denken kann. Dabei hat es sich schon lange nicht
mehr wie ein Zuhause angefühlt.
Während ich auf die Schule zulaufe, wundere ich mich, warum
ich nicht gleich darauf gekommen bin, hierher zu fahren. Es war
eine Schnapsidee, in der ÖBA trainieren zu wollen. Heute, am
Samstag, stand die Schwimmhalle im Internat vermutlich den
ganzen Tag leer und selbst wenn nicht, war das kaum ein Problem.
Solange mich nicht gerade jemand aus meiner alten Klasse
erwischt, dürfte ich im Schwimmbad relativ sicher sein. Drexler
ist übers Wochenende nicht in der Schule, aus meiner Klasse
blieb nur ab und zu Tom im Internat und die anderen Schüler interessieren
mich nicht. Die wenigsten dürften überhaupt wissen,
wer ich bin. Schon gar nicht wüssten sie, ob ich hier schwimmen
darf oder nicht. Ich hätte schon am Tag rausfahren sollen und
nicht erst jetzt am Abend.
Ich beschließe, es gar nicht erst durch den Haupteingang zu versuchen.
Der ist jetzt sowieso schon abgeschlossen.
Also gehe ich gleich zu dem Seiteneingang mit dem kaputten
Schloss. Es könnte mich jemand erwischen, klar. Aber was soll
schon passieren? Von der Schule werfen können sie mich nicht
mehr, das haben sie bereits getan.
Ich stemme meine Füße in den Boden und hebe den Griff
an. Und wieder lässt er sich ganz leicht drehen. Beruhigend zu
sehen, dass nicht alle Dinge sich verändern.
Als ich in die Halle schlüpfe, fällt mein Blick zuerst auf die Tür
zu Drexlers Büro. Sofort ärgere ich mich wieder, dass die Sache
mit dem Schlüssel nicht geklappt hat. Uns muss was anderes
einfallen. Morgen. Jetzt will ich einfach nur ins Wasser.
Aus der Halle klingt gleichmäßiges Plätschern zu mir herüber,
und ich fange an, mich auszuziehen. Es ist dunkel, ich bin
allein, für eine Umkleidekabine besteht keine
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