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Wie ein Flügelschlag

Wie ein Flügelschlag

Titel: Wie ein Flügelschlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jutta Wilke
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schwimmen.
Und er kann nicht einfach nur schwimmen, wie eben jemand
schwimmt, der ab und zu in die ÖBA geht. Selbst ohne
Beinschlag schwimmt Bernges so kraftvoll, so sauber, als hätte
er sein Leben lang nichts anderes gemacht.
    Warum hat er gesagt, dass er nicht viel vom Schwimmen versteht?
Warum trainiert er heimlich? Schämt er sich seiner gelähmten
Beine? Das passt für mich überhaupt nicht in das Bild,
das ich von ihm habe. Ich hatte bisher nie das Gefühl, dass er
sich für seine Behinderung schämt. Was ist es dann, das ihn aus
seinen Fähigkeiten ein Geheimnis machen lässt?
    Langsam, Schritt für Schritt, ziehe ich mich zurück. Taste mich
an der Wand entlang, suche mit den nackten Füßen auf dem Fliesenboden
nach meinen Kleidern. Will nur noch weg hier.
    Achtet auf euren Körper. Er ist das Wertvollste, das ihr habt.
    Mein Fuß stößt an meinen Rucksack. Ein Scheppern lässt
mich zusammenzucken. Mein Handy. Es ist aus dem Seitenfach
auf den Boden gefallen. Schnell schiebe ich es zurück. Warte.
Versuche, meinen Herzschlag unter Kontrolle zu bringen.
    Die Geräusche haben sich verändert. Das gleichmäßige Platschen
hat aufgehört. Ist hektischer geworden. So als ob einer
aufs Wasser schlägt. Ich greife nach meiner Jeans. Stecke meinen
Fuß in das erste Hosenbein. Den Badeanzug behalte ich einfach
an. Beim Versuch, auch den zweiten Fuß in die Jeans zu bekommen,
stolpere ich. Unterdrücke einen Fluch und zerre die Jeans
an mir hoch.
    Aus der Halle dringen jetzt andere Laute. Ächzen, leises Stöhnen.
Dazwischen wieder das Platschen. Bernges verlässt das Becken.
Vermutlich zieht er sich an der Leiter hoch. Ich reiße mein
Sweatshirt vom Boden und streife es mir über den Kopf. Fast
hätte ich meine Unterwäsche liegen gelassen. Schnell stopfe ich
sie in den Rucksack. Ich höre jetzt kein Wasser mehr, Bernges
muss es geschafft haben. Er sitzt im Rollstuhl. Ich habe keine
Zeit, mir noch die Schuhe anzuziehen. Hektisch stopfe ich
die Socken hinein und werfe mir meinen Rucksack über die
Schulter. Meine Schuhe wickele ich in meine Winterjacke und
klemme mir das Paket unter den Arm.
    Ich lausche. Horche auf ein Geräusch, das mir verrät, ob der
Rollstuhl sich schon in Bewegung gesetzt hat.
    Du kannst immer zu mir kommen
.
    Ich unterdrücke den Impuls, den Gang hinunterzurennen. So
leise wie möglich schleiche ich mich an Drexlers Raum vorbei.
Dann die Geräteräume. Die Putzkammer. Ich sehe wieder Bernges
vor mir, wie er vom Rollstuhl aus auf Melanie starrt, die am
Boden liegt. Wie er langsam den Kopf zu mir dreht und mich
anschaut.
    Ich verstehe nicht viel vom Schwimmen.
    Keiner hat gewusst, dass das nicht stimmt. Warum? Was hat
er zu verbergen?
    Ich erreiche die Tür, taste nach dem Griff und schiebe sie auf.
Ich traue mich nicht, erst die Schuhe und die Winterjacke anzuziehen.
Die Angst, dass Bernges den gleichen Weg nehmen
könnte wie ich, ist einfach zu groß. Ich packe das Bündel unter
meinem Arm fester und haste über den Hof zum Wohntrakt.
Diesmal erschrecke ich nicht über den Bewegungsmelder, der
sofort anspringt und den Schulhof in milchiges Licht taucht.
Am Wohntrakt laufe ich hinter das Haus zu der Seite, an der die
Treppe in den Fahrradkeller führt. Es dauert lange, bis ich im
Rucksack den Schlüssel dafür gefunden habe. Sie haben ihn mir
nicht abgenommen. Meine Bücher, den Schlüssel zu meinem
Zimmer, den zum Wohngebäude musste ich abgeben. An den
Schlüssel zum Fahrradkeller hat keiner gedacht. Und ich habe es
vermieden, sie daran zu erinnern.
    Erst als ich bei den Fahrrädern stehe, wage ich es, kurz zu verschnaufen.
Dann ziehe ich endlich meine Socken und Schuhe
an und schlüpfe in meine Winterjacke. Mein Fahrrad steht ganz
hinten in der Ecke. So leise wie möglich ziehe ich es aus dem
Ständer und schiebe es zur Tür. Selbst wenn Bernges gerade
mitten über den Schulhof rollt, kann er mich hier hinter dem
Haus nicht sehen. Ich öffne die Kellertür und trage mein Rad
die Treppe hoch.

Es ist noch viel zu früh, als ich am
Zeitlos
ankomme.
    Elf Uhr hatten wir ausgemacht. Um zehn Uhr stehe ich vor
dem Café und warte darauf, dass es öffnet. Von Mika ist natürlich
weit und breit noch nichts zu sehen.
    Ich setze mich auf die Treppenstufen, die zum Eingang führen,
und schaue mich um.
    Etwas ist passiert heute Nacht. Der Schnee ist verschwunden.
Es regnet auch nicht, sondern die Luft ist einfach trocken, fast
mild. Ich weiß, dass es noch Februar ist. Aber zum ersten Mal
fühlt es

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