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Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein Fremder in der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joyce Hinnefeld
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feinen blonden Löckchen und den dunklen Augen ihres Daddys. Gerade wand sie sich aus dem Arm ihrer Großmutter Vista, die ihr lachend nachlief.
    Als Vista Mary Elizabeth entdeckte, hob sie das Kind hoch und kam zu ihr. »Schön, dich zu sehen, Mary Elizabeth«, sagte sie und streckte die Hand aus. Sie trug eine adrette Capri-Hose und eine hübsche blaue Bluse, und ihre Haare waren ordentlich in Dauerwellen gelegt.
    »Hallo, Mrs Jansen.« Mary Elizabeth ergriff ihre Hand, und in dem Moment befreite sich das kleine Mädchen wieder und versuchte wegzulaufen. Und dann war plötzlich Maze da und umarmte sie fest und weinte an ihrem Hals, und zu ihrer eigenen Überraschung weinte Mary Elizabeth ebenfalls.
    »Ich bin so froh, dass du gekommen bist«, flüsterte Maze, die immer noch die Arme um sie geschlungen hatte. »Ich dachte schon, ich sehe dich hier nie wieder.«
    Später, als Maze die Sachen holte, die sie für die Gedenkfeier auf den Hügel gebracht hatte, hielt Mary Elizabeth Marthies kleine Hände, während sie in endlosen Kreisen um ein tiefes Loch lief, das Harris Whitman mitten auf der Lichtung ausgehoben hatte. Maze hatte verschiedene Dinge von Georgia in eine Holzkiste gepackt – einen Ring, der ihrer Mutter gehört hatte, ein paar alte Gedichtbände, mehrere der alten Spiritual Journals der Shaker und, wie Mary Elizabeth sah, als sie einen Blick in die Kiste warf, das Hauptbuch der Schwestern.
    »Niemand außer Schwester Georgia kannte diesen heiligen Ort namens Holy Sinai’s Plain«, sagte Maze, als sich alle um die Kiste und das frisch gegrabene Loch versammelt hatten. »Und das soll auch so bleiben.« Dann las sie ein Gebet aus einem der verstaubten alten Bücher und eine Passage aus einem Gedicht von Byron vor – Ritter Harolds Pilgerfahrt , das Georgia geliebt hatte, wie Maze sagte.
    »Doch fort zum Tanz!«, begann Maze, und ihr langer blonder Zopf nahm in der Spätnachmittagssonne einen kupferroten Ton an. »Lasst nicht zu Ende sein die Lust! Wacht bis zum hellen Morgenlicht, da Freud und Jugend über das Gewicht angstvoller Zeit wegschlüpft!« Tränen strömten ihr beim Lesen über das Gesicht.
    Hinterher klappte Maze die Kiste zu, befestigte das Schloss und stellte sie in das tiefe Loch. Phil trat vor und half Harris, es mit Erde zuzuschaufeln. Er winkte Mary Elizabeth zu, und sie winkte ihm und dann Sarabeth zurück, die gekommen war, während Maze das Gebet vorlas, und nun hinter ihr stand. Erst in dem Moment fiel Mary Elizabeth auf, dass Daniel nicht da war. Als sie später in Vistas ordentlichem kleinen Haus in Harrodsburg Schinkensandwichs und Kartoffelsalat aßen, fragte sie Maze nach ihm.
    »Er hat sich vor drei Monaten freiwillig gemeldet.« Maze wischte Marthie den Mund mit einer Serviette ab und reichte das Kind dann an Vista weiter. »Er hat es uns erst vor ein paar Wochen erzählt, kurz bevor er zur Grundausbildung musste.« Sie lehnte sich auf dem Stuhl zurück und sah aus dem Fenster in das schwindende Tageslicht. »Er hat gesagt, es wäre das einzig Verantwortungsvolle.« Sie drehte das Gesicht wieder Mary Elizabeth zu. »Ich weiß auch nicht. Daniel hatte eine komische Vorstellung von Verantwortung. Vielleicht ist er sogar lebensmüde, meint Harris, aber ich glaube, das ist es nicht.« Sie zuckte die Achseln und lächelte Mary Elizabeth traurig an. »Es war kein sehr fröhlicher Monat bei uns, M. E.«, sagte sie.
    Vista stapelte die leeren Teller und trug sie in einer Hand in die Küche, während sie mit der anderen Marthie auf ihrer Hüfte festhielt.
    »Deine Mama sieht gut aus«, stellte Mary Elizabeth fest. »Sie ist offenbar glücklich in ihrem neuen Haus.«
    Maze zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, M. E.« Sie beobachtete ihre Mutter dabei, wie sie weitere Teller und Becher einsammelte, und wandte sich dann wieder an Mary Elizabeth. »Sie liebt Marthie, und sie hat endlich ihr eigenes Haus und ihre gelbe Küche und all das, aber ich bin mir nicht sicher, ob sie das wirklich glücklich gemacht hat.«
    Sie lächelte. Dann lachte sie auf einmal, weil ihr etwas einfiel.
    »Eigentlich passt sie nicht hier nach Harrodsburg, weißt du, und ich glaube, sie will auch gar nicht so richtig. Sie kann den Mund nicht halten. Diese Leute vom Denkmalschutz haben kurz nach Schwester Georgias Tod im Gemeindehaus eine Trauerfeier für sie abgehalten. Für Georgia war das natürlich völlig falsch, ein stinknormaler Baptistengottesdienst – sie hätte es gehasst. Nach der Messe gab

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