Wie ein Hauch von Zauberblüten
einsamen Helden. Sie stören doch nur die Entwicklung zur konsumausgerichteten Massengesellschaft.«
»Das klingt vollreif nach Osten!« sagte Dr. Oppermann gepreßt. »Luba, wir sind also alle Idioten?«
»Im Grunde genommen und für die große Politik – ja!« Sie blickte ihn mit Bedauern an und hob die Schultern. »Wir können es noch mit dem Medizinischen rechtfertigen … aber auch das ist für die Kommenden nur noch ein moralisches Aushängeschild. In Wahrheit liegt ihnen wenig an einer längeren Lebenserwartung der Massen, und was sie am meisten fürchten, ist das Wachstum der Intelligenz.«
»Das sagen Sie, als …«
Oppermann schluckte den zweiten Teil des Satzes hinunter. Er schämte sich plötzlich, ihn überhaupt ausgesprochen zu haben. Luba nickte und schlug die Beine übereinander.
»Brechen Sie nicht ab! Sprechen Sie es ruhig aus: Das sagen Sie als Schwarze! – Das meinten Sie doch.«
»Luba …«
»Ich bin keine Schwarze! Ich habe weißes Blut in mir.«
»Das weiß ich.«
»Aber ich liebe auch mein Ovambo-Volk.«
»Natürlich.«
»Ich stehe im Niemandsland. Ich weiß nicht, wohin ich gehöre …«
Oppermann spürte, wie es in seinen Adern zu brennen begann. Als sei er elektrisch aufgeladen, so durchflimmerte es seinen ganzen Körper.
»Wie kann ich Ihnen da helfen, Luba«, sagte er stockend. »Ich – ich kann es nur nachempfinden. Es muß schrecklich sein, zwischen den Fronten zu stehen. Und es muß noch schrecklicher sein, von keinem anerkannt zu werden: von den Schwarzen nicht, und von den Weißen nicht. Aber Sie sollen wissen, Luba, daß ich …«
Er brach ab und stand auf. Er ging zum Fenster, blickte hinaus und betrachtete die Feuer zwischen den Ovambohütten, über denen die Eisenkessel mit dem Maisbrei hingen und dampften.
»Was ist mit Ihnen, Doktor?« fragte sie mit milder Stimme.
»Ich will Ihnen sagen«, sprach er zum Fenster hinaus, »daß das alles für mich nicht stimmt.«
»Was?«
»Herkunft, Hautfarbe, und womit man sonst noch herumjongliert. Für mich ist Luba Magdalena Olutoni unersetzbar!«
Er brach abrupt ab, als habe er schon zuviel gesagt. Sie blieb sitzen, streichelte mit den Blicken seinen Nacken und seinen Rücken und sagte nach einer ganzen Weile:
»Ich danke Ihnen, Doktor. Ohne äußersten Zwang werde ich Sie nicht verlassen.«
»Was heißt das?« fragte er.
»Man müßte mich töten.«
Oppermann fuhr herum. Entsetzen lag in seinen Augen. Sein Mund zitterte.
»Das ist doch Wahnsinn, Luba!«
»Ich weiß.« Sie nickte und wippte mit den Beinen, als sei sie auf einer vergnüglichen Cocktailparty. »Aber ich fühle mich sehr wohl dabei.«
Auch nach Otavi wurde eine Gruppe Soldaten verlegt. Sie kam mit zehn Lastwagen von Rundu, baute Zelte auf, umgab das Lager mit Stacheldraht und demonstrierte eine militärische Macht, die, da niemand etwas Genaues über die Stärke der Guerilleros sagen konnte, entweder übertrieben groß, oder lächerlich schwach war. Immerhin atmeten viele Farmer auf. Im Eiltempo bauten sie ihre Häuser zu kleinen Forts aus, wie es ihre Großväter und Urgroßväter auch schon getan hatten. Die Schulbusse fuhren unter Polizeischutz. Auf den riesigen Farmen wurden aus Landrovern kleine Kampfwagen, und die Frauen und älteren Kinder, die im Haus zurückblieben, trugen die Waffen ständig schußbereit bei sich. Meldungen über größere Banden, die sich im Veld anscheinend zu konzentrierten Aktionen sammelten, wurden nicht bestätigt. Aber man glaubte doch daran.
Prusius war nun jeden Tag mit seiner zweimotorigen Cessna unterwegs, brachte tausenderlei Dinge zu den entlegenen Farmen, füllte die Magazine auf, flog Konserven und Wassertanks, Drahtverhaue und Eisenstangen zu den Farmern und nahm deren Kinder mit, um sie bei Bekannten oder Verwandten im sicheren Windhoek oder Swakopmund abzuliefern. Er war wirklich unermüdlich, half überall und war sofort mit seinem Flugzeug zur Stelle, wenn ihn der Funkruf erreichte: »Johann, wir brauchen noch Konserven. Und bring Benzin mit! Für den Fall, daß wir uns eines Tages zu euch durchschlagen müssen …«
Eines Abends trafen in Outjo zwei Offiziere und einige Soldaten ein. Prusius hatte das natürlich rechtzeitig erfahren und im ›Deutschen Haus‹ alles zum Empfang vorbereitet. Pater Mooslachner rief eine Stunde vorher bei Dr. Oppermann an und teilte ihm die Neuigkeit mit.
»Sie bekommen Besuch, Doktor. Zwei Offiziere. Prusius teilte es mir mit. ›Mir ist es nicht gelungen, die
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