Wie ein Hauch von Zauberblüten
Obwohl die UNO die Schutzmacht-Funktion Südafrikas als aufgehoben betrachtete, verlegte man ein neues Bataillon in den Norden. Mit Transportmaschinen kamen die Soldaten an und bezogen Lager in Kuringkuru, Rundu, Sambio, Andara, Kongola und Katima Mulilo. Das Gebiet zwischen Tsintsabis und Tsitsio wurde durchkämmt, aber die Guerillabanden waren längst untergetaucht, lebten als friedliche Eingeborene im großen, unübersichtlichen Minengebiet von Tsumeb oder sickerten sogar weiter ins Land ein, bis Otavi und sogar nach Outjo oder Kamanjab.
Zwei Wochen nach dem Überfall in Kakuse brannten Hütten und Scheunen bei Otavi, wurden aus dem Hinterhalt Farmerwagen beschossen, gingen Minen bei Maroelaboom hoch, wurden drei Guerilleros ganz in der Nähe von Outjo, im Veld von Aimab gefaßt, einem kleinen Dorf an der Straße nach Okaukuejo.
Der Untergrundkrieg war bis vor Oppermanns Haustür gedrungen.
Prusius hielt Versammlungen im ›Deutschen Haus‹ ab, klagte die UNO an und rief: »Sollen wir uns wehrlos, abschlachten lassen?! Jetzt räumen wir auf! Jede Farm eine Festung! Jeder Schwarze mit der Waffe in der Hand sofort an die Wand! Jeder Sympathisant 'raus aus dem Land, oder dorthin, wohin er gehört: Hinter Gittern! Tollwütige Tiere schießt man ab. Hier haben wir es mit Tollwütigen zu tun. Wer anderer Meinung ist, auch die Herren in Bonn – bitte, wir laden sie ein, wir setzen sie ab in das Guerillagebiet. Dann können sie mit ihren schwarz-rot-goldenen Fähnchen winken und ihre Freundschaft beteuern. Man wird ihnen beweisen, daß sie Weiße sind und deshalb zerhackt werden müssen. Aber immer noch gibt es genug Spinner, die von diesen Bestien als von Menschen sprechen. Sogar unter uns, hier an der vordersten Front!«
Das war eindeutig auf Dr. Oppermann und Pater Mooslachner gemünzt, und jeder in Outjo verstand es. Anonyme Anrufe kamen in der Missionsstation an:
»Gehört es zum Christentum, auch diesen Mördern den Segen auszusprechen?«
»Wie man Sie kennt, würden Sie auch die Rebellen ärztlich behandeln. Aber das sage ich Ihnen: Dann sprengen wir Sie und Ihre schwarze Bande in die Luft!«
»Ich wünsche Ihnen, daß Sie bei Ihren Besuchen im Norden auf eine Mine fahren, Sie Kaffern-Arzt!«
Während Mooslachner sich maßlos aufregte, am Telefon die Anonymen mit Namen belegte, die aus dem Vokabular der Unterwelt stammten, ignorierte Oppermann die Anrufer oder sagte bloß: »Ich kann Ihren Groll verstehen. Es ist eine schlimme Zeit. Ich weiß das alles. Wenn Sie mich weiter anspucken wollen – bitte! Ich lege den Hörer auf den Tisch. Erleichtern Sie sich!«
Freunde gewannen Dr. Oppermann und Pater Mooslachner damit nicht, aber die anonymen Anrufe hörten nach vier Tagen auf.
Bei den Ovambos, die in diesen Wochen ihre Hütten weiter ausgebaut und rund um die Station ein intaktes Dorf errichtet hatten, vermehrte sich die Unruhe. Vor allem die Berichte über die bestialische Ermordung ihrer Brüder, die bei den weißen Farmern gearbeitet hatten, machten sie ängstlich, scheu und verstockt.
Als bekannt wurde, daß Guerilleros bis nach Aimab vorgedrungen waren und dort Rinder abschlachteten und Brände legten, erschien der Häuptling feierlich in einem schwarzen Anzug bei Dr. Oppermann. Er brachte als Geschenk drei Sandhühner mit, hatte für Luba, die neben Oppermann in einem Korbsessel saß, keinen Blick, ja, er setzte sich so vor den Doktor, daß er sie auch unbeabsichtigt nicht sehen konnte.
»Sir, ich komme mit einer großen Bitte«, sagte er. Sein Englisch war in den vergangenen Wochen besser geworden. Er brauchte nicht mehr so nach Worten zu suchen oder, wie früher, einen Mann mitzubringen, der zwei Jahre in Grootfontein gearbeitet hatte und nun zu seinem Stamm zurückgekehrt war, weil er Tbc hatte. »Wir möchten Ihnen danken und weiterziehen.«
»Wohin?« fragte Dr. Oppermann, obwohl er wußte, wie die Antwort lautete.
»Zurück nach Ehombo.«
»Da will euch doch auch keiner haben!«
»Wir werden uns in den Zebra-Bergen eine neue Heimat suchen, Sir.«
»Im Kaokoland?«
»Ja.«
»Wovon wollt ihr da leben?«
»Wir sind genügsam, Sir. Zum Leben wird es immer reichen. Irgendwo wird es ein Tal geben, wo wir uns neue Hütten bauen können.«
»Ihr habt Angst, nicht wahr?«
»Ja, wir haben Angst.«
»Die Hälfte deiner Leute wird den Marsch nicht überleben.«
»Ich weiß es.« Der Häuptling blickte zu Boden. »Wenn es möglich ist, Sir, daß Sie uns wieder mit Bussen wegbringen …
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