Wie ein Hauch von Zauberblüten
erkälten!« sagte sie mild. »Wenn die Sonne weg ist, wird es kühl.«
»Danke. Das wußte ich noch nicht!« antwortete er. »Ich bin zum erstenmal im Busch.«
»Ich hole Ihnen eine Jacke.«
»Danke. Keine Mühe mit mir. Oder erregt Sie schon der Anblick eines weißen Oberkörpers?«
»Sie sind ein Ekel!« sagte sie laut. »Ein Miststück!«
»Woher kennen Sie diesen fabelhaften Ausdruck?!«
»Von Pater Mooslachner.«
»Er hat Sie so genannt, der Gute?«
»Nein. Das sagte er, als er von Ihnen sprach!«
Sie wandte sich ab, ging wieder hinunter zum Wasserloch und wanderte an seinem Rand entlang. Der Boden war steinig, faustgroße Brocken lagen herum, von der Sonne gebleicht, vom Wind in Jahrtausenden abgeschliffen. Urland. Sie setzte sich auf einen großen Stein, streckte die Beine von sich und beobachtete drei Antilopen, die jenseits der Wasserstelle verharrten. Unbeweglich starrten sie zu ihr hinüber, die Lauscher nach vorn gezogen. Gegen den sich langsam in Streifen und violett-roten bizarren Wolkenbildungen auflösenden Himmel wirkten sie wie Statuen. Auch als Luba einen kleinen Stein ins Wasser warf, rührten sie sich nicht. Sie wirkten wie gelähmt, als versteinere sie ein entsetzlicher Anblick.
Luba blickte zum Landrover zurück. Die Kühlerhaube war hochgeklappt. Dr. Oppermann hantierte an dem Wagen herum, schleppte Benzinkanister zum Einfüllstutzen und steckte einen großen Blechtrichter hinein. Der Tisch war gedeckt. Neben jedem Stuhl lehnte ein Gewehr, gemäß dem Gebot für einsame Safarigänger: Sich nie überraschen lassen! Man wußte nie, was rundherum in den Büschen lauerte. Die Plötzlichkeit, mit der die Gefahr über einen herfiel, und die dadurch verursachte völlige Wehrlosigkeit hatten schon manchem das Leben gekostet. Das wichtigste Gebot lautete: Verlasse nie den Wagen! Übernachte nur in festen Unterkünften! Mußt du den Wagen verlassen, dann sichere dich ab! Auch ein Zelt ist nur so sicher, wie die Leinwand dick ist!
Es war Luba, als käme in die Antilopen jenseits der Wasserstelle Bewegung. Ihre Lauscher spielten, die Köpfe hoben und senkten sich. Dann begannen sie zu fressen und beachteten Luba nicht mehr.
Ein leises Rascheln ließ Luba herumfahren. Seitlich hinter ihr, aus einem lichten Dornbusch, hatte sich ein gelbbrauner, langgezogener Körper gelöst. Lautlos schlich er näher, es war, als schwebe er über das Gras. Was Luba gehört hatte, war nichts als die Berührung des Körpers mit einem vertrockneten Grasbüschel. Jetzt war alles wieder still, doch der geduckte Körper glitt langsam näher.
Die Löwin hob den Kopf. Mit ihren grünfunkelnden Augen starrte sie Luba an. Der ausgefranste Schweif schlug lautlos hin und her und streckte sich dann wie ein Ruder. Fast über den Boden schob sie ihren Leib, die Beine angezogen, die Pranken gespreizt. Es war eine alte Löwin, struppig und voll kahler Flecken, in fast dreißig Jahren geübt, wehrlose Gegner anzufallen und ihnen mit einem Biß das Genick zu zerschmettern. Früher hatte sie gejagt, mit langen Sprüngen, war den jungen Gnus auf den Rücken gesprungen, hatte ihre Pranken in das warme zitternde Fleisch geschlagen, hatte mit starken, spitzen Zähnen zugebissen und dann die Nahrung ihren Jungen gebracht und ihrem Herrn, dem mächtigen Mähnenlöwen. Aber das war lange her. Nun war sie alt und müde, noch kräftig genug, um zu schlagen, aber nicht mehr schnell genug, um zu hetzen. Jüngere Weibchen waren die Favoritinnen des Rudels; man ließ die Betagte spüren, daß sie alt war und nicht mehr genug Beute herbeischleppte.
Aber sie hatte Hunger, je älter sie wurde, um so mehr. Und je schwerer es ihr fiel, die Beute zu überlisten, um so grausamer wurde sie. Nun roch sie den Menschen. Ein fremder Geruch, aber ein Geruch nach Fleisch, nach Blut. Was sich da vor ihr bewegte, war kein Gegner, es war zu klein, zu schmal, zu unbeweglich. Es war ein Opfer.
Die Löwin verhielt. Ihre Augen funkelten Luba an, maßen die Sprungweite, taxierten die mögliche Gegenwehr. Die Krallen bewegten sich in den Tatzen, der Schwanz schlug hin und her, die Lefzen schoben sich hoch über die Zähne, lautlos, ohne Knurren, ohne Gebrüll. Ein schweigender Tod …
Luba bewegte sich ganz langsam. Niemand hatte ihr jemals gesagt, wie sie sich zu benehmen hatte, wenn sie einem Löwen allein gegenüber stünde. Das gehört nicht zum Unterricht. Es wäre auch absurd gewesen, an so etwas zu denken. Nun aber stand sie dem Tod gegenüber, und sie
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