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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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spürte keine Panik, keine lähmende Angst, keinen Drang, hell aufzuschreien und wegzulaufen. Mit dem Instinkt ihres Blutes blieb sie am Wasserloch stehen, ging ganz langsam in die Hocke, nahm einen großen Stein in die Hand und spannte alle Muskeln an. Jetzt nach Dr. Oppermann zu rufen, – das wäre ihr sicherer Tod gewesen … Auge in Auge stand sie der Löwin gegenüber, und die Lautlosigkeit zwischen ihnen war die Sprache der Erbarmungslosigkeit.
    Sie beobachtete das Tier genau – und sie betete: Laß Richard jetzt zu mir hinübersehen! Laß ihn rufen: Luba! Komm zum Essen! Das Teewasser kocht schon! – Laß ihn irgend etwas tun, was die Löwin ablenkt. Sekunden bedeuten jetzt ein geschenktes Leben.
    Aber nichts geschah. Oppermann füllte am Landrover Benzin nach, dachte an Walter Bolle in Goslar und zermarterte sich mit seinen Gedanken und Wünschen.
    Die Löwin streckte sich, der Kopf hob sich, der gelbe Körper schnellte hoch …
    Im selben Augenblick warf sich Luba zur Seite, und aus der Drehung ihres Körpers heraus warf sie gleichzeitig den schweren Stein gegen die Angreiferin und ließ sich in das lehmige Wasserloch rollen.
    Und schrie! Schrie, wie sie sich noch nie gehört hatte, schrie sich ihre ganze Todesnot aus dem Leib, sprang auf und warf sich herum.
    Die Löwin stand zwischen ihr und Dr. Oppermann. Luba sah, wie er mit ein paar Sätzen bei seinem Gewehr war und zu ihr hinunterlief. Aber sie sah auch, wie die Löwin unbeeindruckt zu neuem Sprung ansetzte.
    »Richard!« schrie Luba. »Richard! Hilfe! Sie packt mich! Hilfe!!«
    Sie stand bis zu den Knien im Wasser, der moorige Untergrund machte jeden Schritt schwer, es war unmöglich, wegzulaufen. Sie starrte die Löwin an, verhielt den Atem und biß die Zähne zusammen, als sie den gelben Körper mit den vorgestreckten Tatzen auf sich zufliegen sah.
    Wieder warf sie sich zur Seite, in das Wasser hinein, aber diesmal entrann sie der Löwin nicht. Ein heißer Schmerz durchzuckte ihren linken Oberschenkel, das ganze Bein begann zu flattern. In Todesangst schrie sie, auf dem Rücken liegend, in den flammenden Abendhimmel hinein, gewärtig, daß der Biß ihre Kehle zerfleischte.
    Wie aus weiter Ferne hörte sie zwei Schüsse. Sie streckte sich aus, fühlte sich am ganzen Leibe zerrissen, spürte kaum, daß sie aus dem Wasser gehoben und weggetragen wurde. Nur eine Stimme hörte sie, und die sagte ihr: Du bist gestorben. Du bist im Paradies …
    »Luba! Mein Liebling! Luba! Du darfst nicht von mir gehen … Luba, sieh mich doch an!«
    »Ich höre dich«, wollte sie sagen. »Ich höre deine Stimme. Was machst du im Paradies? Du bist mir gefolgt? Wie liebe ich dich … Nun ist alles gut … Nun sind wir für immer zusammen …« Aber sie hörte sich nicht sprechen, kein Laut war um sie, nur tiefe Stille – und dieses Schweben, diese Schwerelosigkeit …
    Dr. Oppermann trug Luba zum Wagen. Er lief, als sei die Löwin hinter ihm her. Lubas linkes Bein war von Blut überflutet. Da sie im Wasser gelegen hatte, tropfte es mit dem Wasser herunter, hinterließ eine rote Spur auf dem Steppenboden, verteilte sich über den ganzen Körper, es war, als flösse überall das Blut aus ihr heraus und überschwemmte auch ihn.
    Vor dem Landrover blieb er stehen, starrte in das bleich gewordene, völlig entspannte Gesicht, legte den schlaffen Körper über die Kühlerhaube, riß aus dem Wagen die Wolldecke heraus, breitete sie über den Boden, legte Luba auf die Decke und riß ihr die blutgetränkte, zerfetzte Khakihose von den Beinen. Dann holte er den metallenen Arztkoffer, packte Zellstoff, Alkohol, Jod und das Notbesteck aus und reinigte die Wunde.
    Der Hieb der Löwin hatte Luba zwar nur gestreift, aber dennoch eine tiefe, gezackte Fleischwunde verursacht. Zum Glück hatte die Tatze nur den Oberschenkelmuskel getroffen und somit keine Adern berührt. Es blutete sehr stark, aber es war weniger dramatisch, als es zuerst ausgesehen hatte.
    Oppermann entspannte sich. Eine Narbe wird sie behalten, dachte er, und ich werde die Narbe jeden Tag küssen. Weiter wird nichts sein. Neue Haut wird sich bilden, und wenn die Narbe stört – wen sollte sie stören; an dieser Stelle werde nur ich sie sehen können! – werden wir eines Tages eine Narbenbereinigung machen, atraumatisch nähen und später abschleifen. Für die kosmetische Chirurgie ist das kein Problem.
    Luba, du wirst so herrlich sein wie zuvor. Nur eine Oberschenkelwunde ist es, weiter nichts. Du hast Glück gehabt.

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