Wie ein Hauch von Zauberblüten
zerwühlte seine Haare und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen. »Ich wache auf, und sie liegt nicht mehr an meiner Seite.«
»Sie Unglücksmensch! Was haben Sie mit ihr angestellt? Womit haben Sie sie so erschreckt?!«
»Pater, ich flehe Sie an: Verzichten Sie auf Ihren Sarkasmus! – Ich habe mir zuerst nichts Schlimmes vorgestellt. Sie ist eben früher raus als du Penner, habe ich gedacht. Sie macht schon Dienst. Sie zeigt dir, was Kondition und Zähigkeit ist! Aber dann wurde ich nachdenklich. Kein Frühstückstisch gedeckt, kein Tee gekocht … Alles so unberührt, wie wir es am Abend verlassen haben. Sogar die Gläser standen noch herum. Das ist nicht Lubas Art, das wissen Sie. Sie hat einen Hausfrauenfimmel, wie man so sagt – und ich fand es wunderbar, daß endlich Ordnung in mein Leben kommt.«
»Bravo!«
»Pater! Luba ist nicht hier!« schrie Oppermann. »Urulele hat sie auch nicht gesehen, und er ist seit sechs Uhr auf den Beinen. Es muß in der Nacht etwas Furchtbares geschehen sein – und ich habe nichts gemerkt!«
»Ich komme sofort!« sagte Pater Mooslachner gepreßt. »Doktor, bloß keine Panik! Machen Sie keine Dummheiten, warten Sie, bis ich bei Ihnen bin.«
»Dummheiten machen?« Dr. Oppermann legte die Hand auf sein Herz. »Ich bin im Augenblick nicht einmal dazu in der Lage.«
Nach knapp zehn Minuten erschien Mooslachner auf der Station. Oppermann ging zur Tür und ließ ihn herein. Mooslachner starrte Oppermann an, als habe der Doktor seine Geliebte in der Nacht umgebracht. Er ließ sich auf einen Stuhl fallen und wischte mit beiden Händen über das breite Gesicht.
»Ich habe begriffen«, sagte er erregt, als Dr. Oppermann zu einem Bericht ansetzen wollte. »Ich leide doch nicht an Gedächtnisschwund. Luba hat bei Ihnen geschlafen, und als Sie heute morgen aufwachen, ist sie weg. Ohne Abschied. Hat Ihnen keinen Tee gemacht, nicht einmal die Gläser weggeräumt. Das böse Mädchen …«
»Pater, ich werfe Sie hinaus, wenn Sie weiter so reden! Nehmen Sie gefälligst Rücksicht auf meine Nerven!«
»Bei mir ist sie nicht, bei mir war sie auch nicht; alle ihre Kleider sind im Schrank. Ich habe sofort nachgesehen. Sie hat nichts mitgenommen.«
»Mitgenommen?« Dr. Oppermann starrte Mooslachner betroffen an. Er begriff noch nicht die Wahrheit. »Was heißt hier mitgenommen?«
»Jetzt bleiben Sie einmal ganz ruhig, ganz gefaßt, Doktor.« Mooslachner blickte auf seine breiten Hände und faltete sie dann. »Luba ist ein klügerer Mensch als Sie.«
»Pater –«
»Ruhe! Zuhören! Luba liebt Sie, aber als Coloured weiß sie genau, welche Konsequenzen das in diesem Lande nach sich zieht. Nehmen wir an, sie hat gestern an der Tür gelauscht …«
»Laut genug haben Sie ja gesprochen!« sagte Oppermann voll Bitterkeit.
»Sie hat gehört, welche Folgen das für Sie haben wird. Hat gehört, daß Sie Ihre Forschungen dieser Liebe opfern wollen, daß Sie den aussichtslosen Kampf aufnehmen wollen, an dessen Ende unweigerlich Ächtung stehen wird. Luba muß in diesen Minuten begriffen haben, daß ihre Liebe Sie vernichtet! Und weil sie diesen Dr. Oppermann eben über alles liebt, hat sie die ungeheure Stärke aufgebracht, wegzugehen, um Sie dadurch zu retten. Begreifen Sie Hirngelähmter denn nicht?! Luba hat sich für Sie geopfert!«
»Nein!« Oppermann lehnte sich gegen die Wand und blickte an die Zimmerdecke. »Sie kann doch nicht einfach weglaufen! Ich habe ihr doch gesagt, daß wir überall auf der Welt leben können.«
»Und in diesem Augenblick, da Sie ihr die Welt zu Füßen legten, wurde sie wieder eine Schwarze und dachte an ihr Volk. An die Tausende von Kranken, an die furchtbare Infektion, die zur Erblindung führt und immer noch unheilbar ist, an das unübersehbare Leid, das heute noch in den einsamen Dörfern und den großen Menschenzusammenballungen im Ovamboland herrscht – trotz des Einsatzes von fahrenden und fliegenden Ärzten. Sie wird abgewogen haben, was schwerer wiegt: Die Liebe oder das Elend in der Welt. – Und da hat sie sich entschieden und ist von Ihnen gegangen.«
»Aber wohin denn bloß?«
»Das dürfen Sie mich nicht fragen.«
»Sie wissen mehr, Pater!«
»Nein. Ich kenne lediglich die Mentalität der Schwarzen besser als Sie.«
»Luba war nicht schwarz!«
»Gut, sie war milchkaffeebraun. Die Hautpigmentierung macht noch keinen Menschen. Mein Gott, ich ahne, wie es in Luba ausgesehen hat. Während Sie an ihrer Seite wohlig schnarchten, hat sie sich zu
Weitere Kostenlose Bücher