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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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kniff das völlig gesunde Bein so kräftig, daß Mooslachner einen heiseren Schrei ausstieß.
    »Sind Sie verrückt?« keuchte er.
    »Wenn schon verletzt, sollen Sie auch etwas davon haben.«
    »Sie Barbar!«
    Oppermann klopfte Mooslachner überall ab, flüsterte ihm zu, wann er laut stöhnen sollte und humpelte dann, gestützt auf die Schulter des Ovambos, der anscheinend ein Offizier war, in den Schatten eines Mopane-Baumes.
    »Der Pater hat ein angebrochenes Bein und innere Verletzungen«, sagte er. »Er müßte geschient werden und darf sich nicht bewegen.«
    »Ich werde es dem Kommandanten melden. Vielleicht ist eine Behandlung nicht mehr nötig, Doc.«
    »Das kann ich nicht entscheiden.«
    Mooslachner wartete, bis der Ovambo gegangen war. »Was hat er gesagt?« rief er auf deutsch über den Platz.
    »Der Kommandant entscheidet.«
    »Das muß ein besonderer Knabe sein! Wen man auch fragt, immer heißt es: Der Kommandant! Und wann geruht er, uns zu empfangen?«
    »Wir werden ihn noch früh genug kennenlernen!« rief Dr. Oppermann zurück. Es klang nicht sehr fröhlich.
    Kurz danach trugen vier Ovambos Dr. Oppermann in eine niedrige fensterlose Hütte neben einer Schirmakazie und legten ihn auf ein Lager aus Zweigen und Decken. Dann brachten sie einen Krug mit Wasser, einen Holzteller mit Kuduschinken und noch warmen Maisfladen und eine kleine Dose Ölsardinen.
    Erstaunt betrachtete Oppermann die Dose. Portugiesische Sardinen in reinem Olivenöl, enthäutet und entgrätet. Aufschrift in deutscher Sprache. Dauerkonserve.
    In dem fahlen Dämmerlicht, das durch das Flechtwerk der Wände und der Decke fiel, aß er Schinken und einen Fladen, rollte die Dose mit dem darangeklebten Büchsenöffner auf, tunkte ein Stück Maisbrot hinein und hebelte die Sardinen heraus. Im geheimen Buschlager der Namibia-Guerillas, mitten in der Trostlosigkeit des Velds vom Kavangoland, aß ein deutscher Arzt vor seiner Hinrichtung als letzte Mahlzeit eine Dose Ölsardinen, die eigentlich für Deutschland bestimmt war …
    Die Kopfschmerzen blieben. Ob sie vom Hängen am Baumstamm herrührten, oder ob der Schlag gegen das Armaturenbrett bei der Bruchlandung eine Gehirnerschütterung verursacht hatte, wollte Oppermann jetzt nicht diagnostizieren. Er scheute das grelle Licht der Sonne und spürte, daß ihm die Dunkelheit guttat: zusammen mit der latenten Übelkeit das sichere Anzeichen einer Commotio.
    Er legte sich auf das weiche Lager, schloß die Augen, fühlte sich satt und müde, weich in allen Gelenken, wie ohne Knochen. Eine unendliche Ruhe überkam ihn, während er doch gleichzeitig das Flimmern seiner Nerven im ganzen Körper spürte.
    Es ist verrückt, dachte er. Jetzt, wo ich so ruhig bin, will mein Körper hysterisch werden! Das lasse ich nicht zu. Wenn sie mich nachher hinstellen und erschießen, will ich aufrecht stehen und mit Anstand sterben. Und zu Mooslachner werde ich sagen:
    »Pater, melden Sie uns da oben an! Aber meine Antwort auf alle gottväterlichen Fragen steht fest: Ich bereue nichts!«
    Er schlief ein mit diesem Gedanken, der ihm sehr gut gefiel.
    Ein Streicheln über seine Stirn, seine Augen, seine Nase, seine Lippen und seinen Hals weckte ihn.
    Oppermann lag regungslos, hielt den Atem an und lauschte angestrengt.
    Eine Schlange … Was anderes kann diese gleitende Zärtlichkeit bedeuten, als daß eine Schlange sich über mein Gesicht windet. Das Streicheln vor dem tödlichen Biß …
    Er straffte die Muskeln, ballte die Fäuste, machte sich ganz starr und hoffte, daß die Schlange weiterkroch. Sehen konnte er nichts; die fahle Dämmerung war in völlige Dunkelheit übergegangen. Draußen mußte es Nacht sein. Er hatte also Stunden geschlafen, fast den ganzen Tag. Die Gehirnerschütterung, dachte er. Aber warum lebe ich noch? Warum haben sie mich nicht geweckt und erschossen? Sie haben mich schlafen gelassen. Nun bin ich frisch, der Schock des Abschusses ist überstanden. Nun ist das Sterben wesentlich schwerer. Ist das ihre Überlegung? Wollen sie uns als Feiglinge sehen? Der weiße Mann, der um sein Leben bettelt?!
    Die Schlange glitt wieder über sein Gesicht, über seine Lippen, blieb dort liegen, kroch weiter zu seinen Augen – er schloß schnell die Lider –, dann wandte sie sich hinunter zu seinen Wangen, zu seinem Hals.
    Dr. Oppermann wagte nicht, tief zu atmen. Was ist das, durchfuhr es ihn. So etwas gibt es doch nicht: Wie kann eine Schlange links und rechts gleichzeitig über meine Wangen und den

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