Wie ein Hauch von Zauberblüten
gekommen!«
»Wegen Dr. Oppermann.«
»Ja.«
»Deshalb muß er sterben.«
»Du verurteilst ihn zum Tode, weil ich ihn liebe?« schrie sie.
»Es ist undenkbar, daß meine Tochter mit einem Weißen leben will«, sagte Olutoni dumpf. »Ich hatte immer gehofft, mein Blut werde stärker in dir sein.«
»Josef Petrus Olutoni – der Rassist!« schleuderte sie ihm entgegen.
»Die Weißen haben es uns vorgemacht. Ich habe von ihnen gelernt!«
»Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
»Nein.«
»Dann töte auch mich!« sagte sie fest. Sie sprang auf, stieß dabei den Tisch um, die Lampe fiel zur Erde und schickte ihren Schein gegen die Wand. Olutoni versank im Schatten. »Du kommst nur über mich an ihn heran.«
»Wo willst du hin?« fragte er streng.
»Zu ihm! Ich wohne bei ihm, ich schlafe bei ihm. Hol mich von ihm weg, wenn du kannst!«
»Ich kann es. Du kommst erst gar nicht zu ihm.«
»Du willst mich daran hindern?«
»Ja.«
»Wie denn?!« schrie sie wild. »Wie denn wohl? Willst du mich schlagen? Willst du mich fesseln? Willst du mich einsperren? Komm her, faß mich doch an, versuch' doch, mich festzuhalten! Ich kann mich auch gegen meinen Vater wehren!« Sie wich zurück, versank ebenfalls im Schatten und lehnte sich an die Flechtwand. »Papa – ich habe ein Messer in der Hand! Papa, ich flehe dich an, komm nicht zu mir! Es – es ist ein langes Messer … Bitte, Papa! Papa!« Ihre Stimme brach.
Olutoni blieb sitzen. Er senkte den Kopf tief auf die Brust und blickte zu Boden. Sein Herz war wie eine riesige, brennende Wunde. Sie hat ein Messer, dachte er traurig. Sie will mit einem Messer ihren Vater erstechen. Ihren Vater, der nur für sie gelebt hat, der Himmel und Erde nicht so liebt wie sie. Ihren Vater …
»Bleib!« sagte er schwach. »Luba, bleib!«
Ein furchtbarer Verdacht stieg in ihr auf. Sie zitterte am ganzen Körper, hielt das Messer vor sich wie eine Lanze und starrte auf Olutonis zusammengesunkene Gestalt.
»Lebt er noch?« stammelte sie. »Papa! Sag die Wahrheit: Lebt er überhaupt noch? Du weißt nicht, was geschieht, wenn ich zu ihm gehe und er ist nicht mehr da! Papa! Sag, daß er noch lebt!«
»Er lebt!« sagte Olutoni und seufzte.
»Danke, Papa.« Sie kam wieder näher, blieb aber weit genug von Olutoni stehen, um sofort in die Abwehr springen zu können, falls er sich regte. »Ich gehöre zu ihm! Ich bin seine Frau geworden. Du mußt uns beide töten.«
»Warum hast du das getan, mein Baby?« sagte er langsam.
»Warum hast du Mutter geliebt?«
Olutonis Kopf zuckte hoch. Im Halbdunkel sah sie, wie seine Augen funkelten. »Und? Was ist daraus geworden??«
»Liebst du sie deswegen weniger? Im Gegenteil! Du verehrst sie heute wie eine Göttin. Du schleppst den Sessel, in dem sie gesessen hat, mit dir herum. Du trägst ihr Bild in einem goldenen Kästchen auf der Brust. Du sprichst mit ihr, wenn du allein bist. Du hast sie zu deiner Heiligen gemacht.«
»Sie ist eine Heilige!«
»Warum? Nur, weil du sie liebst! Für dich ist sie unsterblich geworden. Erst ein Symbol deines Glücks, jetzt ein Symbol deines Hasses! Denke daran, wie sehr du Mutter geliebt hast, und wie sehr du sie jetzt verehrst – dann weißt du, wie ich Richard liebe! Du hättest wegen ihr die Welt untergehen lassen, – ich lasse sie auch untergehen, und dich mit, für diese Liebe!« Sie schwieg, wartete auf eine Antwort, aber Olutoni blieb stumm und rührte sich nicht. »Kann ich jetzt gehen, Papa?«
»Zu ihm?«
»Du weißt es.«
»Ich lasse mich nicht erpressen. Schon gar nicht von der eigenen Tochter!« Er hob den Kopf und sah an ihrer Haltung, daß sie zum Sprung bereit stand. Wut, Enttäuschung, Hilflosigkeit beherrschten ihn. Was ihm einfiel, um ihren Widerstand zu brechen, wurde sofort wieder verworfen von der Angst, sie für immer zu verlieren.
»Setz dich!« sagte er befehlend.
»Nein!«
»Ich will dir unsere Lage erklären.«
»Mich interessiert keine Lage. Ich liebe ihn!«
»Ich verliere mein Gesicht, wenn Dr. Oppermann weiterlebt!«
»Und du verlierst mich, wenn du ihn tötest!«
»Es ist eine schreckliche Ausweglosigkeit, Luba.« Er faltete die Hände und drückte sie gegen die Brust. Er fühlte das kleine, kastenähnliche Medaillon, in dem Magdalenas Bild verborgen war und von dem er sich nie trennen würde, auch im Tode nicht. Mit ihm wollte er begraben werden, und wenn er von den Weißen gefangengenommen werden sollte, würde er es verschlucken und dann mit einem Lächeln sterben.
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