Wie ein Hauch von Zauberblüten
auf seinen Stuhl, schlug die Hände vors Gesicht und warf den Kopf in den Nacken.
Dr. Oppermann richtete sich auf, als der Vorhang vor seiner Hütte zur Seite wehte und Luba hineinhuschte. Sie warf sich neben ihn, umfaßte ihn, küßte ihn, wie ein Verdurstender Wasser trinkt, und schlang die Arme um ihn.
»Hat dich jemand gesehen?« flüsterte Oppermann besorgt. Er ließ sich zurückfallen auf das Blätterlager. Sie folgte ihm, ihn umschlungen haltend, und lag halb über ihm.
»Das ist mir gleichgültig«, sagte sie. »Du brauchst nicht zu flüstern. Du kannst es hinausschreien: Luba ist bei mir!«
»Mein Gott – was ist geschehen?« stotterte Oppermann.
»Mein Vater weiß es!« sagte sie stolz. »Wir werden hier zusammen wohnen. Solange ich lebe, mein Liebling, lebst auch du!«
»Sie werden deinen Vater absetzen, und ein neuer Kommandant wird mich erschießen.«
»Uns, mein Liebling.« Ihr Leib drängte sich ihm entgegen, ihre Beine schoben sich über ihn. »Was auch geschieht, wir werden immer zusammen sein.« Sie küßte ihn und streichelte sein Gesicht. »Nun ist alle Angst von uns genommen. Was kann uns noch passieren, was kann uns noch trennen?« –
Mitten in der Nacht wachte Oppermann auf. Luba lag nicht mehr an seiner Seite, sie hockte am Eingang der Hütte und hatte den Vorhang geöffnet. Im fahlen Nachtlicht hoben sich ihr Kopf mit den langen offenen Haaren und ihre Schultern deutlich gegen den silberblauen Hintergrund ab. Im Lager rumorte es, man hörte Stimmen, das Scharren von Schuhen, ab und zu wurde in die Hände geklatscht. Jemand lachte, Zurufe antworteten ihm. Luba ließ den Vorhang fallen und kam zu Oppermann zurück. Wie eine schmusende Katze kroch sie an ihn heran und schmiegte sich an seine Schulter.
»Was ist draußen los?« fragte er leise.
»Du bist wach?«
»Plötzlich warst du nicht mehr da. Ich spürte das.«
»Ich liebe dich …«
Er schob den Arm unter ihren Nacken und legte die Hand über ihre Brust. Sie war nackt, ihre Haut fühlte sich wie Samt an, glatt, schmiegsam, warm. Wie lange wird dieses Glück noch dauern, dachte er. Es ist ein irrsinniges Glück.
»Ist draußen etwas passiert?« fragte er.
»Ein Nashorn ist durch das Lager gelaufen.« Sie lachte leise und küßte seine Kinnspitze. »Sie haben es weggejagt. Es stand vor einer Küchenhöhle und wollte unbedingt durch den Eingang. Die Tiere haben alle Hunger, es ist zu trocken. Der Winter kommt nicht …« Sie dehnte sich, ihre Brust wuchs in seiner Hand, der Duft ihres Körpers hüllte ihn ein, ein merkwürdig herbsüßer Geruch, der sich verstärkte, wenn er über ihre Haut rieb. Er blähte die Nasenflügel und schnupperte lautlos. Es muß Jasmin sein, mit einem Zusatz von frischen Gräsern, dachte er. Nein, kein Jasmin, ein Gemisch von Lavendel und Rosen. Aber auch das trifft nicht genau. Eher der Duft einer frisch gemähten Wiese im Morgentau, wenn die Rosen am Wegrand beim ersten Sonnenstrahl ihre Süße verströmen …
Er streichelte ihren glatten Körper, und unter seinen Händen verstärkte sich der berauschende Duft. Er wollte fragen, aber Luba kam ihm zuvor.
»Gefällt es dir?« fragte sie leise an seinem Ohr.
»Es verzaubert mich.«
»Ein Zauber ist es auch. Es ist der Saft einer Blüte, die sich nur des Nachts öffnet und duftet. Ganz rot ist sie, scharlachrot, und sie wächst im einsamsten Busch. Man muß lange suchen, bis man ein paar Blüten findet.«
»Wie heißt sie?«
»Sie hat keinen Namen. Oder viele Namen. Jeder nennt sie anders. Ich nenne sie die Zauberblüte.« Sie dehnte sich unter seinem Streicheln, und die Wolke des Duftes hüllte sie völlig ein. »Ich habe mich ganz damit eingerieben«, flüsterte sie. »Es heißt, wer sich im Saft dieser Blüte baden kann, wird unangreifbar. Und es heißt, wer diese Blüte essen kann, wird stark und unbesiegbar werden.« Sie hob den Kopf, sah Oppermann an und küßte seine Augen. »Ich habe sie gefunden, die Zauberblüte. Nur ein paar Büschel, tief im Dornbusch. Ich habe sie für dich mitgebracht.« Sie löste sich aus seiner Umarmung, drehte sich zur Seite und griff nach einem großen Blatt. Als sie es aufrollte, lagen vier kleine, verkrümmte, unansehnliche, dunkelrote Blütenknospen darin, ähnlich halb vertrockneten Malvenblüten. »Iß sie!« sagte sie, nahm eine Blüte zwischen Daumen und Zeigefinger, führte sie an Oppermanns Mund und schob ihren Leib wie eine Schlange, weich und anschmiegsam, über ihn. »Iß sie, und keiner kann dich
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