Wie ein Hauch von Zauberblüten
Käse und kaltes Fleisch brachte und den Kaffee in hohe Keramikbecher schüttete. Mooslachner hob seinen Becher hoch und blickte unter den Boden. »Made in Germany«, sagte er trocken. »Handmade. Die Firma heißt A. Schulthen. Kannenbäcker Land. – Kennen Sie das, Doktor?«
»Es liegt bei Montabaur. In der Nähe von Koblenz.«
»Und wir saufen daraus im tiefsten Namibia bei den Guerillakämpfern Kaffee. Verrückt, was?«
»Ich wundere mich über vieles hier«, sagte Oppermann. »Sie haben deutsche Konserven und Ölsardinen. Gestern abend habe ich Knäckebrot bekommen.«
»Morgen serviert man Ihnen vielleicht einen Harzer Käse. Oder Münchener Weißwürste.« Mooslachner setzte den Keramikbecher auf den Tisch. »Ich habe es aufgegeben, mich zu wundern. Mich beschäftigt nur die Frage, wie Sie hier vor aller Augen ein intaktes Eheleben praktizieren können, ohne daß Olutoni Ihnen den wichtigsten Teil abschneidet.«
»Ich habe ihn dazu gezwungen«, sagte Luba ruhig und ohne Scham. »Ich liebe Richard. Was kann da mein Vater schon machen?«
»So einfach ist das!« Mooslachner griff zu, belegte eine Brotscheibe mit kaltem Braten und biß hinein. »Und um in Form zu bleiben, kauen Sie Zauberblüten? Sie machen früh schlapp, Doktor, Sie sind doch erst dreißig!«
»Er hat die Blüten gegessen, ich habe mich mit ihrem Saft eingerieben. Man wird uns nicht töten!« sagte Luba ruhig.
Mooslachner hob die dichten Augenbrauen. Er sah, daß beide es ernst nahmen. Mit Genuß aß er das Brot zu Ende, trank den Becher halb leer und griff nach dem frischen weißen Ziegenkäse.
»Habt ihr noch eine von diesen Blüten übrig?« fragte er.
»Nur noch eine«, sagte Luba zögernd. »Es ist die letzte. Es war nur ein ganz kleiner Strauch.«
»Schenkst du sie mir, Luba?«
»Man muß aber daran glauben, Herr Pater«, sagte Luba und ging in die Hütte.
Mooslachner benutzte ihre Abwesenheit, um zu sagen: »Und Sie sind wirklich so töricht, zu glauben, daß Olutoni es ohne Wimpernzucken hinnimmt, daß seine Tochter mit Ihnen schläft! Das kostet Sie und Luba den Kopf!«
»Nie wird Olutoni sie umbringen!« sagte Oppermann.
»Sie Kindskopf!« Mooslachner belegte sein Brot mit einem großen Stück Ziegenkäse. »Haben Sie noch nie etwas von tragischen Unfällen gehört? Damit lösen Tyrannen, Geheimdienste und Politiker zuweilen unliebsame Probleme. Nehmen Sie nur keine Einladung an, für die Sie sich von Ihrer Hütte und von Luba entfernen müßten. Weiß Gott, Doktor, Sie sind ein Rindvieh!«
Luba kam zurück, die kleine rote Blüte auf der Handfläche. Sie hielt sie Mooslachner hin, und der Pater betrachtete sie kritisch. Er schnupperte daran, trank einen Schluck Kaffee, um den Ziegenkäse hinunterzuspülen, nahm dann die Blüte und steckte sie in den Mund. Er kaute sie, sah Dr. Oppermann kritisch an und schluckte sie dann hinunter.
»Kamille schmeckt mir besser«, sagte er. »Es ist ein merkwürdiger Geschmack.«
»Er kommt aus dem Leib des nächtlichen Bodens«, sagte Luba ernst. »Der Saft ist das Blut des ewigen Lebens. Die Erde wird ewig sein. Wir haben das Blut der Erde in uns aufgenommen.«
»Mag sein«, antwortete Mooslachner nachdenklich, während Oppermann den Arm um Luba legte. »Dann spielt Gott auch hier mit. Denn nur Er bestimmt, wie lange diese Erde lebt.«
Den Rest des Frühstücks nahmen sie schweigend ein.
Um sie herum war nur das Hirsestampfen und das Gekreisch der Affen in den Bäumen.
Am frühen Mittag hörten sie von weitem Motorengebrumm. Es kam schnell näher und nahm den typischen Ton von rotierenden Flügeln an: ein helles, saugendes Klappern.
»Ein Hubschrauber!« rief Dr. Oppermann. »Genau mit Richtung auf uns.«
»Sie suchen uns. Endlich!« Pater Mooslachner blieb in seinem Klappstuhl sitzen. »Ich war schon restlos enttäuscht, daß sich niemand um uns kümmert. In Windhoek müssen sie doch kopfstehen! Daß zwei so harte Burschen wie wir einfach im Veld verschwinden, das gibt es doch nicht. Weg aus der Luft wie Luft!«
Im Lager verkroch sich alles in das dichte Gestrüpp. Die Erdhöhlen wurden mit Dornenzweigen verschlossen, die unterirdischen Feuer abgedeckt, bereitgestellte Büsche wahllos darüber geworfen.
Aus der Luft würde es aussehen wie ein einsames, kahles Stück Steppe. Eine vollkommene Tarnung.
Olutoni saß mit Oppermann und Mooslachner vor der Hütte und blickte nach oben. Auch sie wurden von den weit überhängenden Zweigen völlig verborgen. Luba stand im Eingang der
Weitere Kostenlose Bücher