Wie ein Hauch von Zauberblüten
»Die Liebe, die Ehre und das Land meines Volkes. Wir müßten alle drei sterben …«
»Dann fang mit dir an!« sagte sie mitleidlos.
»Das sagt eine Tochter zu ihrem Vater.«
»Das sagt eine Frau zu einem Fremden, der ihren Mann und sie töten will.«
»Ich bin ein Fremder?«
»Wo ist denn mein Vater? Wo ist seine Stimme? Wo seine Zärtlichkeit? Wo ist seine beherrschende Vernunft? Wo ist das Vorbild, dem ein Kind nachleben soll? Wo ist die Güte, in die es sich einschmiegen kann? Wo? – Ich sehe, höre, fühle nichts als einen kalten Töter!« Sie wagte einen Schritt nach vorn. »Kann ich jetzt gehen?«
»Du könntest mit dem Messer auf deinen Vater losgehen?« Er atmete schwer.
»Wenn du mich aufhältst …«
»Luba, laß uns noch weitersprechen!«
»Worüber? Was ist jetzt noch zu sagen?«
»Du hast nach deiner Mutter gefragt.«
»Sie würde mich verstehen!«
»Sie ist ermordet worden!« schrie Olutoni auf. »Von den Weißen ermordet worden! Weil sie mich, einen Schwarzen, liebte! Man hat sie vom Pferd gezogen, hat sie erwürgt und dann mit einer Leopardentatze zerrissen! Ich habe das Fell gefunden, an den Krallen klebte noch ihr Blut! Sie haben deine Mutter bestialisch umgebracht, Luba! Die Weißen! Ich habe es dir nie gesagt – aber jetzt weißt du es!«
Sie stand, nach vorn gebeugt, das Messer stoßbereit in der Hand, und starrte ihren Vater an. Dann knickte sie zusammen, fiel auf die Knie, aber als Olutoni zu ihr springen wollte, um sie zu stützen, zuckte das Messer vor. Betroffen blieb er stehen. Er fühlte, wie kalter Schweiß an ihm herunterlief.
»Das hättest du nicht tun dürfen«, sagte sie tonlos. »Das nicht!«
»Was?«
»Mich so zu belügen.«
»Es ist die Wahrheit, Luba!« Olutoni stöhnte auf und rang die Hände. »Es sind für mich heilige Worte! Es ist ein Gebet, das ich täglich spreche und das mir immer wieder neue Kraft gibt: Man hat sie ermordet! Der Leopard war ein Mensch, ein weißer Mensch! Und er wird stolz gewesen sein, die Kaffernhure zu töten! – Das war sie, deine Mutter: eine Kaffernhure! Und du bist der Bastard einer Kaffernhure! Jeder Straßenköter ist mehr als du! Jeder Hund kann sein Bein heben und gegen das Schild ›Nur für Weiße‹ pissen. Aber lehne du dich mal daran! – Das ist die Welt, in der wir leben! Das ist unser Leben! Und so, wie sie deine Mutter mit Freuden getötet haben, so werde ich die Weißen töten, wo ich sie finde! Verstehst du mich jetzt?«
»Du lebst in einer längst überholten Zeit, Vater. Die Welt hat sich geändert. Die Menschen werden eines Tages nicht gegeneinander, sondern füreinander leben.«
»Man sieht's«, sagte Olutoni bitter. »Man hört und liest es jeden Tag!«
»Bist du anders, Vater?«
»Ich will es sein.«
»Und bestrafst meinen Mann für eine Tat, die er nie begangen hat.«
»Seine Hautfarbe ist weiß.«
»Und du wunderst dich, daß man die schwarze ebenso bekämpft?«
»Sie haben damit angefangen.«
»Und da bleibt nichts anderes, als sich gegenseitig diese verhaßte Haut abzuziehen? Wie armselig seid ihr doch, ihr großen Politiker! Ihr wollt ein neues, segensreiches Jahrhundert und seid doch so primitiv wie ein Sandkäfer!« Sie erhob sich von den Knien und warf das Messer Olutoni vor die Füße. Die Spitze der langen Klinge zeigte auf ihn. Er starrte es an, rührte sich nicht. Es war, als sei dieses Messer die Grenze, die keiner von ihnen überschreiten durfte. »Es war gut, Vater, daß du mir gesagt hast, wie Mutter gestorben ist. Endlich. Du hättest es früher sagen müssen, aber auch jetzt war es noch nicht zu spät. – Was bin ich in deinen Augen, Vater? Eine Schwarze, eine Weiße oder ein Bastard?«
»Meine Tochter«, seufzte Olutoni.
»Das ist keine Antwort.«
»Du bist, wie du selbst dich empfindest.«
»Danke, Papa! Ich liebe Richard und gehe zu ihm. Ist das – weiß gefühlt?«
»Luba!« stöhnte Olutoni auf.
»Ich gehe. Und wenn ich nun in deinen Augen eine Weiße bin, dann bring mich um! Ich selbst weiß nur, daß ich Richards Frau bin – weiter nichts! Kümmere du dich um deine Farben!«
Sie ging an Olutoni vorbei, ganz langsam, darauf wartend, daß er zugriff und sie zurückriß. Aber er rührte sich nicht. Mit hängenden Armen ließ er Luba an sich vorbei, blickte ihr nach, wie sie die Hütte verließ, hörte noch für ein paar Sekunden ihren Schritt in der stillen Nacht, das Knirschen des Sandes, das Knacken der trockenen Zweige. Dann war auch das vorbei. Er setzte sich
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