Wie ein Hauch von Zauberblüten
schnellte hoch. Neben seinem Bett lag Gepäck. Er riß das Gewehr an sich, betrachtete es ungläubig und starrte dann Luba an. Sie war wie Mooslachner bepackt und lächelte.
»Komm!« sagte sie. »Ich weiß den Weg durch die Wachen. Mach schnell!«
Oppermann zog seine Stiefel an, warf das verschnürte Gepäck über die Schulter und hängte das Gewehr vor die Brust. Aus der Affenfelldecke hatte man einen Sack gemacht, in dem die Konserven und die Verpflegung staken, die vier Wassersäcke hingen an Hanfseilen über beide Schultern, ein Säckchen mit Munition wurde an den Gürtel der Hose geknotet. Daneben steckte ein langes Messer. Mooslachner trug noch ein Beil an der Seite und eine Säge im Affenfellsack. Luba hatte an alles gedacht. Als sie zu Mooslachner gekommen und mit ihm zu ihrem heimlichen Lager geschlichen war, hatte er nur voll größter Hochachtung gesagt: »Du bist ein ganz ausgekochtes Weibsstück, Luba!« Dann hatten sie – sie mußten zweimal gehen – das ganze Material abgeschleppt und so verpackt, daß man es auf der langen Wanderung tragen konnte.
»Sie haben das alles vorher gewußt?« fragte Oppermann und stieß Mooslachner an. »Pfui, Sie guter Freund!«
»Ich weiß es erst seit drei Stunden!«
»Luba –« Oppermann zögerte. Was jetzt hier geschehen sollte, war so unwirklich, so verrückt, so aussichtslos, daß ihm im Augenblick die Beine wie gelähmt waren. »Wir kommen nicht durch!« sagte er rauh.
»Wir müssen es wenigstens versuchen.« Mooslachner schob sich nahe an Oppermann heran, um leiser sprechen zu können. »Wir nehmen den Weg nach Nordosten. Generalrichtung Rundu. Da sucht uns keiner. Jeder wird glauben, daß wir nach Südwesten marschieren, Richtung Tsumeb. Dort werden sie jeden Meter durchforschen. Aber nach Osten? Nie! Da liegen rund dreihundert Kilometer wasserlose Steppe vor uns! In diese Hölle geht keiner freiwillig hinein, auch wir Idioten nicht! Das werden sie denken. Aber wir gehen hinein!«
»Es gibt auch da Wasserlöcher«, sagte Oppermann.
»Ja, aber Bitterwasser, oder sehr salzhaltig. Für Menschen ungenießbar. Ein paar Schlucke davon, und in drei Stunden sind Sie wahnsinnig vor Durst. Wir müssen mit unserem Wasservorrat auskommen.«
»Mit vier Wassersäcken?«
»Für jeden einer. Das sind pro Schnauze zwanzig Liter. Damit können Sie sich noch duschen!« sagte Mooslachner sarkastisch. »Und schleppen müssen Sie sie auch noch. Das sind vierzig Pfund Wasser.«
»Luba hält das nicht aus!«
»Ich halte es aus!« sagte sie fest.
»Ihren Ballast werden wir zuerst vertilgen«, sagte Mooslachner. »Worauf warten wir noch?«
»Weiß dein Vater von unserer Flucht?«
»Nein!« Luba schüttelte den Kopf. Sie stand am Hütteneingang, hatte die Decke etwas hochgehoben und spähte nach draußen. Die Nacht war dunkler als zuvor, der Mond hing als schmale Sichel zwischen den Milliarden Sternen, die vor dem klaren Hintergrund die Unendlichkeit ahnen ließen. Das Lager schlief, die Feuer in den Erdhöhlen waren abgedeckt, die vielfachen, sich miteinander vermischenden Geräusche des Busches beherrschten die Nacht. Das Geheul der Hyänen zerschnitt ab und zu die leiseren Stimmen: Klagerufe, die den Mangel an Aas in dieser einsamen Gegend beweinten.
Der afrikanische Winter wollte nicht kommen. Die Trockenheit hielt an. Schon längst hätte es regnen müssen. Landschaft und Tiere lechzten nach Wasser, nach Abkühlung, nach Wachstum. Der Boden riß auf, spaltete sich, dörrte aus, zersprang in wirre Muster. In den Dörfern des Ovambolandes, Kavangolandes, Kungvelds und Omahekes saßen die Medizinmänner und Regenmacher, brachten Rauchopfer dar, beschworen den Himmel, schnitten Hähnen die Kehle durch und verspritzten das Blut in alle Winde, tanzten bis zur Ekstase den Regentanz und verbrannten Puppen aus Stroh und Dornen, die den Geist der Trockenheit darstellten.
Es half alles nichts. Der Himmel blieb klar, keine Wolke zog auf, nur ab und zu, in stratosphärischen Höhen, schwebten ein paar weiße Schleier dahin und wurden schnell wieder von der glutenden Sonne aufgesaugt.
Auf den großen Farmen wurden Tankwagen zu den Viehherden gefahren; die Wassertürme, von eigenen Bohrungen in der Tiefe gespeist, verloren ihren Vorrat, weil die Brunnen nicht so schnell neues Wasser heranschafften, wie man es verbrauchen mußte, um Ernte und Herden zu sichern.
Oppermann trat an Lubas Seite und blickte mit ihr hinaus auf das schlafende Lager.
»Du weißt, wo die Wachen
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