Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Stipagrotis-Gras wuchs oder das flache, breitblättrige, wie ein verdorrtes Gerippe aussehende Welwitschia-Gebüsch, von dem behauptet wird, es könne tausend Jahre alt werden und lebe von der Luftfeuchtigkeit der Nacht, indem sie diese magere Nahrung direkt durch die Blätter aufnehme und zu den Wurzeln weiterleite.
    Nach jeweils zwei Stunden ruhten sie sich ein paar Minuten aus, hockten auf ihren Affenfellsäcken und stützten sich auf die Gewehre. Mooslachner kontrollierte nach Oppermanns Armbanduhr die Richtung; demnach waren sie auf dem richtigen Weg, sofern der fahle Streifen am Horizont wirklich schon die aufgehende Sonne ankündigte. Lubas Sternendeutung erwies sich als exakt.
    »Wir könnten es in sechs Tagen schaffen, an die große Straße nach Rundu zu kommen«, sagte Mooslachner. »Und sechs Tage halten wir durch. Das wäre doch gelacht! So, wie wir ausgerüstet sind! Es darf uns bloß nichts zwischendurch passieren.«
    »Was soll denn passieren?« fragte Oppermann.
    »Daß Sie Tolpatsch sich zum Beispiel ein Bein brechen! Bei Ihnen muß man mit allem rechnen! Oder daß Ihr Gewehr auf dem Rücken losgeht, und Sie schießen sich selbst in den Hintern! Haben wir alles schon gehabt!« Mooslachner klopfte gegen den Sack, auf dem er saß. »Wer will ein Bier?«
    »Keiner!«
    »Sie preußischer Barbar! Dann schmeckt es mir auch nicht, so allein.«
    Als die Sonne sich mit einem glutroten Strahlen ankündigte, den Sternenhimmel verblassen ließ, das Gras, die Dornbüsche, die krüppeligen Schirmakazien und den zerrissenen Boden kurz in ein blasses Violett tauchte, um dann alles mit einem noch fahlen Licht zu überziehen, legten sie wieder eine Rast ein und saßen zu Füßen einer mit kriechenden Flechten bewachsenen Sanddüne.
    Im Gegensatz zum Veld mit den vielfältigen Stimmen der erwachenden Tiere, umgab sie hier völlige Stille: ein Schweigen, das bedrückend war, das sich wie eine schwere Hand auf das Herz legte, ein Schweigen, so tief, daß der eigene Herzschlag hörbar wurde.
    »Jetzt sind wir drin …« sagte Mooslachner und packte seinen Fellsack aus.
    »Wo?« fragte Oppermann. Er warf sich auf den Rücken. Luba lag schon im harten, von Flechten durchfilzten Gras und hatte die Augen geschlossen. Jetzt sah man, daß sie erschöpft war. Sie hatte allen Ballast abgeworfen und die Bluse vor den Brüsten aufgerissen. Ihr Atem ging schnell und pfeifend.
    »Im Vakuum! Das ist ein Landstrich, vielleicht der einzige in Südwest, wo es kein schießbares Wild gibt. In der Namibwüste natürlich auch nicht, aber das erwartet ja auch niemand. Wer sich hier verirrt, kann Eidechsen fressen und Blätter kauen oder beten. Bis zum Okavango ist fast leeres Land. – Jetzt ein Bier?«
    »Ja!«
    »Na also!« Mooslachner holte drei Büchsen aus dem Sack, riß sie auf und verteilte sie. Gierig trank Oppermann die ersten drei Schlucke, Luba trank vorsichtig, Mooslachner grunzte zufrieden, schüttete den Inhalt der Dose in sich hinein und trat sie dann zielsicher hoch in die Luft, weit weg ins Gras. »Das belebt mehr als hundert Vitamintabletten, was, Doktor?«
    »Wieviel haben Sie mit, Pater?«
    »Zwölf Dosen.«
    »Du lieber Himmel! Dann schleppen Sie ja mindestens einen Zentner mit sich herum!«
    »Das vermindert sich schnell. Sie werden sehen, wenn wir die Straße nach Rundu erreicht haben, sind wir leicht wie die Flöhe!«
    Der Tag war schnell da, und mit ihm die Hitze. In der Nacht war es erträglich gewesen, sich durch Busch, Elefantengras und Sandsteppe zu schlagen. Jetzt, unter der Sonne, drückte das Gewicht, das an ihnen hing, doppelt und machte jeden Schritt zur Schwerarbeit.
    Dr. Oppermann hatte die Spitze übernommen und gab das Tempo an. »Das ist besser so«, hatte Pater Mooslachner gesagt. »Wenn ich lostrabe, könnte das für euch zu schnell sein. Doktor, machen Sie den Leithammel.«
    Mit der Sonne hatten sie nun auch einwandfrei die Richtung. Sie schwenkten ein wenig nach rechts ab, nicht ahnend, daß auch die Straße nach Rundu schräg nordöstlich verlief, die Entfernung sich also durch ihre Kurskorrektur nicht verringerte. Das Veld wurde kahl, mit niedrigem Gras, das hart war wie ausgedörrtes Leder. Die monatelange Trockenheit begann hier tödlich für die Natur zu werden. Die Verzögerung der Regenzeit wurde zur Katastrophe. Der natürliche Lebensrhythmus der Pflanzen zerbrach. Der Wasserspeicher in ihren Wurzeln verbrauchte sich, die kaum wahrnehmbare Nebelfeuchtigkeit der Nächte reichte nicht mehr aus.

Weitere Kostenlose Bücher