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Wie ein Hauch von Zauberblüten

Wie ein Hauch von Zauberblüten

Titel: Wie ein Hauch von Zauberblüten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tausende Kilometer von der Heimat entfernt – seit über einhundertfünfzig Jahren im ständigen Kampf mit einer immer feindlichen Umwelt eine Handvoll Deutscher. Mit wahrer Knochenarbeit kultivieren sie das Land, zaubern aus unfruchtbarem Sand-, Steppen- und Dornbuschboden grüne Weideplätze, züchten Karakulschafe, entwickeln eine eigene, ungemein harte Rinderrasse, legen Brunnen an, entdecken Bodenschätze, schützen das aussterbende Wild und gründen Farmen, wo Mais und Zuckerrohr wächst, Gemüse und Kartoffeln, Obst und Futterrüben. Und immer blicken sie nach drüben ins ferne Deutschland … Sie lesen die Zeitungen, hören die Rundfunksendungen, fragen die Touristen aus, ihre Häuser sind offen für jeden Besucher aus der geliebten Heimat, ihre Gastfreundschaft ist ebenso groß wie ihre Sehnsucht nach Deutschland. Und dann verstehen sie nicht – wie könnten sie es auch? –, daß die Heimat ihre Heimatliebe belächelt, daß sie die ›Gestrigen‹ genannt werden, daß man sie opfert für den großen politischen Rahmen, den sie ebenso wenig begreifen können, denn das Land, aus dem sie sich ernähren, ist der Boden, der, ehe sie kamen, wüst und tot war, den sie erst fruchtbar gemacht haben. Wie sollten sie verstehen, daß im Land ihrer Vorväter, das in ihrem Herzen wohnt, Nationalbewußtsein zuweilen geradezu wie eine Verwirrung angesehen wird?
    Wer nimmt einem Franzosen übel, daß ihm Tränen in die Augen schießen, wenn unter dem Klang der Clairons die Trikolore aufgezogen wird? Wer lächelt, wenn in der Ecke jeder amerikanischen Amtsstube das Sternenbanner steht? Wer tippt sich an die Stirn, wenn Tausende voll Ehrfurcht ›God save the Queen‹ singen? Und, ja, wer schreit entsetzt auf, wenn die Delegierten des Sowjet im großen Kremlpalast von Moskau mit heiliger Ergriffenheit ihr Revolutionslied singen und Lenins Kopf häusergroß von der Wand herunterstarrt?!
    Nur die Deutschen im fernen Afrika, die im Freundeskreis den Großen Zapfenstreich vom Tonband hören und dabei ganz still sind, werden zu Teufeln des Revanchismus.
    Der Deutsche – das unsterbliche Feindbild!
    So kann man das sehen. Aber auch anders.
    Man muß es anders sehen, wenn man Johann Prusius kennengelernt hat. Das ist die Tragik aller Gruppen, vor allem der Parteien: Sie werden beurteilt nach dem Auftreten eines sich vordrängenden einzelnen.
    Der Wirt vom ›Deutschen Haus‹ zapfte in hohen Gläsern Bier nach Pilsener Art und kam sofort um seine Theke herum, als Dr. Oppermann das Hotel betrat.
    »Guten Abend, Herr Doktor!« sagte er und drückte Oppermann fest die Hand. »Das ist schön, daß Sie auch kommen. Die Feier ist in vollem Gang. Im kleinen Saal …«
    »Welche Feier?« Oppermann sah den Wirt erstaunt an. »Hat jemand Geburtstag?«
    »So kann man es nennen!« Der Wirt lachte, riß die Tür zum Sälchen auf und ließ Dr. Oppermann hinein.
    An vier langen Tischen, umwallt von Tabakrauch und Bierdunst, saßen die Mitglieder der Vereine, aber dieses Mal nicht allein, sondern mit ihren Damen. Alle Köpfe wandten sich zur Tür, als Dr. Oppermann eintrat. Der Wirt rief laut: »Der freie Platz am Vorstandstisch ist für Sie!« Er unterbrach damit Prusius, der hinter einem Rednerpult stand und gerade eine Ansprache hielt. Die Wand hinter ihm war mit einem Riesenfoto geschmückt: Eine asiatische Fratze unter einem mit einem roten Stern versehenen Helm schob sich über die Weltkugel. Krallenhafte Hände umfaßten den Erdball. Dr. Oppermann kannte das – es war die Reproduktion eines Plakates, das 1941 überall in Deutschland an Mauern und Litfaßsäulen klebte. Er war damals noch nicht auf der Welt gewesen, aber er hatte Fotos von diesem Schreckensbild in Büchern und Zeitschriften gesehen.
    Prusius sprach weiter, winkte Dr. Oppermann zu und zeigte auf den freien Stuhl. Oppermann zögerte. Hingehen und sich setzen – oder hinausgehen? ›Sie werden Ihnen eine Falle stellen!‹ hatte Pater Mooslachner gewarnt. Wenn das hier die Falle war, würde man ihn als Feigling verlachen, wenn er sich jetzt aus dem Staube machte.
    Er ging durch die Tischreihen und setzte sich an den quergestellten Vorstandstisch. Jetzt sah er allen in die Gesichter. Von Erwartung über Schadenfreude bis zur deutlichen Ablehnung las er alle denkbaren Regungen von ihren Mienen ab.
    »Ich begrüße unseren Herrn Dr. Oppermann herzlich«, sagte Prusius. »Er kommt zwar spät, aber er ist gekommen! Er mußte erst noch dreißig Kaffern eine Spritze geben! Das soll

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