Wie ein Hauch von Zauberblüten
mich der Pater! Hättet ihr da gesagt: Aufhören! Du kannst mich mal …!? Aber ich trete aus der Kirche aus, das ist sicher. Ich trete aus und beschwere mich beim Bischof!«
Natürlich erschien am Abend auch Prusius auf der Station. Rund um das ›Bettenhaus‹ hatten sich die Ovambos niedergelassen, die Feuer loderten; Urulele, Nkulele und Luba teilten in Blechschüsseln Gemüsebrei und Mais aus.
»Wie vor zweihundert Jahren!« sagte Prusius und schüttelte den Kopf. »Doktor, ich habe fast Angst um Sie. Kommen Sie heute ins ›Deutsche Haus‹? Wir haben da eine kleine Feier. Um 21 Uhr geht es los. Sie haben dann auch Gelegenheit, über Ihren neuen Streich Auskunft zu geben. Das heißt – wenn Sie wollen!«
»Ich komme!« Dr. Oppermann zog seinen weißen Arztkittel an. »Es kann etwas später werden. Ich muß erst noch etwa dreißig Kranken ihre Injektionen geben. Aber ich komme!«
Zufrieden fuhr Prusius zurück nach Outjo.
Erst gegen halb zehn Uhr parkte Dr. Oppermann seinen Wagen in dem offenen Innenhof des Hotels ›Deutsches Haus‹. Er war beruhigt weggefahren; Pater Mooslachner blieb bei Luba auf der Station. Gemeinsam mit Urulele und Nkulele hatten sie genug zu tun, die Kranken von all den Farbigen aus Outjo abzuschirmen, die neugierig herbeigeeilt waren. Schließlich stellte Urulele ein großes Schild an der Zufahrt zur Station auf, auf dem in roter Farbe weithin zu lesen war: ›Weiterfahrt verboten! Seuchengefahr!‹
Sehr bald hörte der Zustrom auf. Nur noch zwei Ovambo-Händler wurden erwischt, die sich herangeschlichen hatten, um billige Decken, Hosen und Hemden und Amulette gegen alle Gebrechen zu verkaufen. Urulele und ein stämmiger Nomade, der an einer Knochenverkrümmung des rechten Beines litt, fingen die Händler ein und verprügelten sie. Da es sozusagen eigenrassige Schläge waren, protestierte man nicht und wertete sie auch nicht politisch aus.
»Rechnen Sie damit, daß man Ihnen eine Falle stellt!« hatte Pater Mooslachner Dr. Oppermann gewarnt. »Wie gern möchte ich mitgehen! Aber ich sehe ein, daß ich hier bleiben muß. Die anonymen Anrufe haben Luba sehr nervös gemacht. Also, Doktor: Vorsicht!«
Das Hotel ›Deutsches Haus‹ war 1904 gebaut worden, nach der berühmten Schlacht am Waterberg, in der die deutsche Schutztruppe die Hereros so gründlich geschlagen hatte, daß dieses stolze Volk nie mehr eine große Rolle in Südwest-Afrika spielen konnte. Zuerst war das Haus nur eine befestigte Station für die deutschen Soldaten, später wurde es Raststation auf dem langen Weg nach Norden und Nordosten, wo man Wasser und Verpflegung einlud. Erst unmittelbar vor dem Beginn des Ersten Weltkrieges, 1914, bekam es den Namen ›Deutsches Haus‹ und das Statussymbol eines ›Hotels‹. Es wurde umgebaut, erhielt ein Restaurant und eine deutsche Biertheke mit großem Kaiserbild darüber. Schließlich wurde es sogar Verbindungslokal für zwei studentische Corps, denn ein deutscher Akademiker im Ausland, und sei's im tiefsten Afrika, verzichtet ungern auf seine Kneipe, zumal, wenn sich dortzulande schon einige alte Herren niedergelassen haben. Ein Zimmerflügel wurde im rechten Winkel angebaut, mit einer durchlaufenden, gedeckten Terrasse, so daß jeder Gast vor seiner Tür mit Blick auf den afrikanischen Sternenhimmel speisen konnte. Nach dem Krieg installierte man auch eine Kegelbahn, und ein kleiner Saal wurde drei Vereinen zur Verfügung gestellt: dem Gesangsverein, dem Theaterverein und dem Vaterländischen Verein. Aber 1933 wurden sie durch einen vierten Verein verstärkt, der im wesentlichen aus den Mitgliedern der drei ›Urvereine‹ bestand: Die Ortsgruppe Outjo der NSDAP.
Aus dieser Zeit behielt das ›Deutsche Haus‹ einige große Erinnerungsstücke: eine Schallplatte mit dem Badenweiler Marsch und dem Horst-Wessel-Lied, eine Platte mit dem Englandlied und dem Lied der Fallschirmjäger, einige Fahnen und Wimpel, zwei Ehrendolche, von denen heute keiner mehr sagen konnte, von wem sie stammten, und, als ganz große Seltenheit, eine Schallplatte mit einer Goebbels-Rede. Nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Aufschwung der Elektronik für jedermann wurde das Arsenal komplettiert mit Tonbändern von historischen Aufnahmen: Hitler vor dem Reichstag, Hitler beim Spatenstich in Bückeburg, Hitler beim Spatenstich an der Autobahn, Hitlers Weltkriegs-Eröffnung: Ab heute 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen …
Man muß das ernst nehmen und anders sehen als mit unseren Augen.
Da lebt –
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