Wie ein Hauch von Zauberblüten
in den Wolken thronend, gut. Auch die kleinen bunten Bildchen, die man überall in den Kirchen verteilte, vornehmlich an die Kinder, erhoben keinen Anspruch darauf, als Kunst zu gelten. Aber was Pater Mooslachner da entrollte, an einem Querbalken aufgehängt, in voller Größe, einen Meter breit und ein Meter fünfzig lang, unterschied sich in nichts von den Plakaten der Moritatensänger. Während diese aber rührselige Geschichten von der verlassenen Köchin sangen oder schaurige Greuelmärchen vom Räuber Fra Diavolo, trug Mooslachner, mit einem Zeigestock bewehrt, mit bewegten Worten das Leben Jesu vor und wies dabei auf die einschlägigen Bilder: von der Flucht Josefs und Marias bis zur Himmelfahrt des Herrn. Und wie ein Moritatensänger hatte Mooslachner auch eine einfache, aber wirksame Melodie für seinen Vortrag komponiert, die einem echten bayerischen Schnalzler sehr nahe kam.
Man darf es einem Bischof nicht übelnehmen, daß er nach einer solchen Vorstellung von missionarischer Aktivität in Gewissenskonflikte kam. Sein väterlicher Rat, diese Jesus-Moritat wegzulassen, stieß bei Mooslachner jedoch auf eisernen Widerstand.
»Ich weiß aus meinen Kindertagen«, sagte der Pater mit umwerfender Logik, »welchen Eindruck die Moritatensänger bei der Kirchweih auf mich gemacht haben! Seit Jahrhunderten sind sie beim Volk beliebt. Sie gehören zum Kulturgut der Menschheit! Früher waren sie die wandelnden Zeitungen, die mit ihren Bildern und Gesängen die großen Ereignisse unters Volk brachten! Die Räuber vom Spessart. Der wilde Störtebeker! Das im Wald verirrte Mädchen, das von einer säugenden Hirschkuh gerettet wird! Das hat Generationen und Jahrhunderte bewegt. Das verstand auch der Arme, der weder lesen noch schreiben konnte! – Und wo komme ich hin? Zu den gleichen armen Menschen, zu den gleichen unverdorbenen Geistern, zu den gleichen offenen Seelen! Glauben Sie, Exzellenz, daß ein Buschmann, der aus der Steinzeit seiner Kalahari-Steppe auf mich trifft, begreift, daß Jesus das Opfer einer Lobby der Hohenpriester geworden ist? Aber meine Bilder, die versteht er! Und wenn ich singe, das freut ihn! Jeder Schwarze liebt Musik! Diese Bildwand hat im Busch mehr geleistet als tausend verteilte Bibeln, in denen doch keiner liest.«
Der Bischof hatte darauf geschwiegen, nur noch einmal erschüttert auf die Jesus-Moritat gestarrt, wo die Personen aussahen wie ein Aufmarsch unheilbar Verblödeter, und dann gefragt: »Wer hat das Plakat gemalt?«
»Ein Kunstmaler in Durban!« hatte Mooslachner geantwortet. »Er hat schon vier Kunstpreise bekommen. Die Idee der Bildfolge allerdings stammt von mir.«
Der Bischof rettete sich aus dieser Situation, indem er Mooslachner viel Glück wünschte und sich zwang, dieses Erlebnis schnell zu vergessen. Allerdings hatte der Pater auch nur die halbe Wahrheit erzählt; er verschwieg die Kombination der Moritat mit seinem Zauberkoffer, die dem ganzen Vortrag erst den nötigen Pfiff und die erstaunliche Durchschlagskraft gab.
Die Bilder der Jesus-Moritat waren nämlich so ausgewählt, daß Mooslachner sie mit Zaubertricks begleiten konnte. Sang er zum Beispiel seinen Schnalzler von der Speisung der Fünftausend, und wies sein Stock auf das Bild, das eine Menge Leute zeigte, wie sie an Broten nagten, während andere, noch nicht Beglückte, schwach und mit verdrehten Augen am Boden lagen, dann ging er anschließend im Kreis herum und zog den vor Ergriffenheit starren Schwarzen Hühnereier aus Ohren und Nasenlöchern, getrocknetes Kudufleisch aus den Kniekehlen und – dieses Meisterstück sprach sich rasend schnell herum – einem Häuptling sogar ein lebendes Perlhuhn aus dem farbenprächtigen Umhang heraus.
Christi Himmelfahrt war ein weiterer Höhepunkt der Missionsstunde: Während auf dem Plakat zu sehen war, wie ein Mensch leibhaftig in den Himmel fährt, ließ Pater Mooslachner eine Puppe verschwinden, indem er sie in eine blitzende Röhre steckte, die Röhre hoch in die Luft warf und dann, nach dem Auffangen, wieder herumzeigte. Jeder durfte hineinsehen: Die Puppe war weg! Kann man eine Himmelfahrt plastischer erklären?
Nach solch einer beeindruckenden Vorstellung, die jedem Heiden klar machte, daß es wirklich große himmlische Mächte geben muß, taufte Mooslachner die neuen Christen, schenkte ihnen ein glänzendes Bildchen von Maria mit dem Kind, lehrte sie ein kurzes Grundgebet – Vater unser, wir sind Dein! Wir glauben nur an Dich und an keine anderen
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