Wie ein Hauch von Zauberblüten
durch den Hinterausgang, ging hinüber zu den Werkstätten, nahm einen Eimer Schmierfett und holte aus dem Magazin eine große Dose Insektenpulver. Als er zurückkam, überraschte er den Pater, wie er vor dem kleinen Kreuz über dem Sofa stand und versunken betete.
»Hier! Hier habe ich alles«, sagte Luther mit belegter Stimme. »Kann – kann ich Ihnen noch auf andere Weise helfen?«
»Vielleicht später.« Mooslachner nahm den Fettkübel und das Insektenpulver und sah Luther ernst an. »Wo ist Ihr Badezimmer, Emil?«
»Kommen Sie mit!«
Eine halbe Stunde später beobachteten die Luthers mit Prusius und Luba von der Veranda, wie Mooslachner wieder zu den Rundhäusern ging. Der Pater ging merkwürdig steif, staksig und breitbeinig, sah sich nicht um, rief ihnen kein Scherzwort zu; mit völlig fremd wirkenden Bewegungen verschwand er um die Scheunenecke.
»Er geht wie ein Mondsüchtiger!« sagte Prusius und lachte. »Oder wie einer mit einem gewaltigen Hodenbruch. Mir ist bisher nie aufgefallen, wie breitbeinig er geht!«
Emil Luther schwieg und trank seinen Verdauungstee, den er nach jedem Essen einnehmen mußte. Wo hat er das Schmierfett? überlegte er. Und wo ist das Insektenpulver? Ob er beides unter der Soutane wegschleppt? Aber wozu bloß?! Was hat ein Religionsduell mit einem Buschmann mit Schmierfett zu tun? Plötzlich bekam Luther sogar Angst, am liebsten wäre er ihm nachgelaufen, aber die Mahnung Mooslachners, keinen in den Bereich der Häuser zu lassen, hielt ihn zurück. »Was – was unternehmen wir nun?« fragte er stockend. »Viel Abwechslung gibt es hier nicht. Ich könnte Ihnen meine neue Mastanlage zeigen …«
»Lassen Sie uns lieber gemütlich auf der Terrasse im Schatten sitzen«, sagte Prusius und streckte die Beine von sich. »Ich habe viel zu erzählen. In Outjo und Umgebung passiert allerhand. Aber ein Thema beherrscht alle Gespräche. Sie können mich berichtigen, Miß Olutoni, wenn ich die Unwahrheit sage.«
»Das Thema ›Dr. Oppermann‹?« lachte Luther etwas gequält.
»Es ist unerschöpflich.« Prusius starrte Luba unverschämt auf den Busen. »Und es hat eine Menge Zukunft …«
Die Buschmann-Großfamilie erwartete Pater Mooslachner in voller Besetzung. Man hatte sogar die Uralten nahe an den Ring geholt und unter ein schnell gefertigtes Blätterdach gesetzt. Die Männer und Frauen kauten an Wurzelstücken, die Kinder starrten mit riesigen Augen den großen Mann mit der weißen Haut an. Tonkrüge mit gesäuertem Wasser standen herum, auf breiten Palmblättern lagen kleine Berge von Maisfladen. Es sah ganz danach aus, als wolle man sich auf eine längere Zeit im Freien einrichten.
Die große Bekehrung sollte ungefähr dreißig Meter hinter den Häusern stattfinden, dort, wo das Buschland begann. Das Familienoberhaupt, der weißhaarige stämmige Buschmann mit der Lederhaut, stand nackt in der Mitte des Kreises und wartete auf Pater Mooslachner.
Der Platz war bereits gut vorbereitet und für den Zweikampf geräumt. Mittelpunkt war ein aufgebrochener Termitenhügel. Mit Eisenstangen und Äxten hatte man den Bau zertrümmert und fast eingeebnet. Tausende von Termiten wimmelten in den Ruinen ihres Staates herum. Die Panik eines Volkes, dem die Arbeit vieler Jahre vernichtet wurde.
Mooslachner trat in den Kreis und starrte mit unbewegter Miene auf das krabbelnde Riesenheer der großen Ameisen. So muß es den Märtyrern zumute gewesen sein, dachte er, wenn sie im römischen Zirkus den Löwen gegenüber standen, und rings auf den Rängen schrien die Menschen vor Begeisterung. Hier schrie und jubelte niemand, aber aus dem Schweigen der Buschmänner sprach die Erwartung, daß ihr Gott gewinnen werde.
Ich habe mir das selber eingebrockt, dachte Mooslachner. Nun muß ich es auch auslöffeln. Niemand, auch ein Buschmann nicht, soll von Michel Mooslachner sagen, er sei ein feiger Hund. Ich werde an den heiligen Franziskus denken, werde ihn um Kraft bitten. Der hat sich mit dem nackten Hintern in einen Ameisenhaufen gesetzt, um seine Fleischeslust abzutöten. Hier geht es um einen ungleich edleren Zweck: Zweiunddreißig Seelen sind zu Gott zu bringen! Mooslachner, die Soutane hoch und die Hosen runter! Blamier dich nicht!
Gott, helfe mir! Amen …
Der Buschmann, der in seiner graubraunen faltigen Nacktheit gegen den Riesen Mooslachner noch erbärmlicher wirkte, wies stumm auf den zerstörten Termitenstaat. Mooslachner nickte. Du hast einen Arsch aus Leder, dachte er. Da kneift keine
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