Wie ein Hauch von Zauberblüten
Silbe.«
»Ein durch und durch verrohter Mensch! Und so etwas ist Arzt! Man muß sich schämen, mit ihm befreundet zu sein.«
Am Nachmittag kehrten Luther und Prusius zurück. Ihre Pferde dampften. Sie hatten einen Buschbock geschossen und bereits ausgeweidet.
Mooslachner spielte seit drei Stunden mit Luba und Luise auf der Veranda Skat und verlor jämmerlich. Er überreizte, wollte bluffen und fiel immer herein. Lediglich einen Null ouvert hatte er gewonnen, aber nur, weil Luba einmal nicht aufgepaßt hatte.
»Es sind grausame Frauen!« stöhnte Mooslachner, als Prusius und Luther den Buschbock auf die Veranda brachten. »Ein Glück, daß wir nicht um Geld spielen. Ich hätte sonst schon die Missionskasse verspielt!«
Prusius lachte, klemmte sein Gewehr unter den Arm und ging ins Haus, um sich zu duschen und umzuziehen. Luther blieb mit sehr ernstem Gesicht zurück. Er wartete, bis Prusius im Haus war und setzte sich dann schwer auf einen Stuhl. Es war, als habe die Kraft seiner Beine plötzlich nachgelassen.
»Was ist denn mit Ihnen los?« fragte Mooslachner. »Können Sie das Reiten nicht mehr vertragen?«
»Prusius hat einen Mann erschossen!« Luther wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. Entsetzt ließ Luise die Karten fallen.
»Wo?«
»Draußen im Veld. Zwölf Meilen von hier. Wir entdeckten auf dem Pad zwei Lastwagen. Sie fuhren quer durch den Busch Richtung Andara. ›Was haben hier zwei Lastwagen zu suchen?‹ rief Prusius. ›Die sehen wir uns an! Wo kommen die denn her?‹ – Wir reiten also im Galopp ihnen nach und winken. Natürlich sehen sie uns, aber statt anzuhalten, geben sie Gas und rasen weiter. Prusius war weit vor mir, er hatte das bessere Pferd. Und plötzlich sehe ich, wie er im vollen Lauf sein Gewehr hochreißt und schießt. Ein Mann, der hinter der Plane gestanden haben muß, fällt über die Klappe von der Ladefläche. Aber die beiden Wagen rasen weiter. Wie ich heran bin, steht Prusius vor dem Toten und sagt zufrieden: ›Wieder einer weniger!‹ – Es war ein Schwarzer, dem Aussehen nach ein Ovambo.«
Luba saß aufrecht und unbewegt am Tisch, nur ihre langen, schlanken Finger mit den rotlackierten Nägeln kratzten unruhig über die vor ihr liegenden Spielkarten.
»Wo ist er?« fragte sie.
»Wir haben ihn liegengelassen. Wir hatten ja nichts bei uns, ihn zu begraben. Die Erde ist knochenhart da draußen. Aber es gibt genug Hyänen. Morgen sieht man nichts mehr.« Luther griff nach Luises Tasse und trank wie ein Verdurstender den Rest des kalten Kaffees. »Prusius vermutet, daß es Guerilleros waren, die – von Angola kommend – hier herumstrolchen und die Gegend, auskundschaften. Merkwürdig war es schon. Warum hielten sie nicht an? Warum flüchteten sie?«
»Die Schwarzen besitzen empfindliche Nasen. Vielleicht haben sie Prusius gerochen?« Mooslachner stand auf. Alle sahen ihn ernst an. Er hatte auch nicht erwartet, daß man jetzt lachte. »Haben die Ovambos zuerst geschossen?«
»Eben nicht! Nur Prusius hat geschossen.« Luther atmete schwer. »Mir ist das sehr unangenehm. Es ist auf meinem Gebiet geschehen. Ich sollte es nach Windhoek melden.«
»Tun Sie das, Emil. Und ohne Beschönigungen. So, wie es war.« Mooslachner dehnte seinen breiten Brustkorb. »Wenn ich kein Priester wäre, würde Prusius in zehn Minuten krankenhausreif sein. Emil, dieser Ausklang unseres Besuches tut mir leid. Und jetzt bitte ich für ein paar Minuten um Entschuldigung. Ich will für den Erschossenen beten.«
Das Abendessen verlief schweigsam. Man sprach Prusius kaum an. Natürlich entging ihm nicht, welche Stimmung herrschte. Plötzlich knurrte er: »An Humanitätsduselei sind schon ganze Völker zugrunde gegangen!« – und ging in sein Zimmer. Mooslachner besuchte noch einmal die Buschmann-Großfamilie und brachte seinem Gegner bei, wie man die Hände faltet und zu Gott spricht. Dann segnete er sie alle und verteilte Hirse und Maniokmehl, das ihm Luther gegeben hatte. Das machte auf die Buschmänner mehr Eindruck als das Händefalten. Die Frauen küßten kniend Mooslachners Soutane. Es war vergeblich, sie daran hindern zu wollen.
In der Nacht saß Luba am Fenster ihres Zimmers und starrte über das Veld. Sie fror. Ihr Blut schien ein Eisstrom zu sein.
War der Tote Papa? Hat Prusius Papa erschossen? Hatte sie ihn zum letztenmal gesehen?
Wer gab ihr Auskunft? Wer brachte ihr Nachricht? Der Einbeinige in Outjo?
Das Mondlicht zog über die Steppe.
Jetzt zerreißen ihn die
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