Wie ein Hauch von Zauberblüten
Schatten an der Wand. »Und es würde für uns tödlich sein, wenn wir dann Mitleid hätten und sagten: Das sind auch Menschen! Hat man das von uns gesagt? Ein Huhn wird von den Weißen gestreichelt, wenn es auf ihren Tisch hüpft und dort pickt. Uns tritt man weg wie aussätzige Hunde, wenn wir uns auf die Bank neben einen Weißen setzen.«
»Das war einmal, Vater. Heute ist das anders, das weißt du genau!«
»Man hat es getan!«
»Willst du historische Schulden eintreiben?«
»Wie klug meine Tochter reden kann! Hast du einmal versucht, auf dem Flugplatz von Windhoek nicht durch die Tür zu gehen, über der ›Nur für Schwarze‹ steht, sondern durch die Tür ›Für Weiße‹?«
»Nein. Ich bin noch nicht geflogen.«
»Dann versuche es einmal.« Olutoni betrachtete seine Tochter. Im schwachen Licht der Nachttischlampe hockte sie auf dem Bett, die Beine untergeschlagen, den kupferfarbenen Körper nur von einem durchsichtigen kurzen Nachthemd verdeckt. Ihre Schönheit trieb ihm fast die Tränen in die Augen. Meine Tochter … dachte er immer wieder. Das ist meine Tochter. Sie ist noch schöner als ihre Mutter. Soll sie an ihrer Liebe zu einem Weißen zerbrechen, wie ihre Mutter an der Liebe zu einem Schwarzen zerbrochen ist? Habe ich nicht die Pflicht, sie zu retten?! Muß ich tatenlos ansehen, wie sie wegen ihrer Hautfarbe zerrieben wird durch Ideologien, durch politische Gnadenlosigkeit, durch Haß und tödlichen Enthusiasmus? Luba, mein Liebling, was weißt du denn, was um dich herum vorgeht. Nicht einmal ahnen kannst du, was ich weiß!
»Du könntest Namibia verlassen«, sagte er mit belegter Stimme. »Ich sorge dafür, daß du nach New York gebracht wirst, oder nach Kuba, oder nach Sambia. Wenn du willst, ich lasse dich nach Paris fliegen. Das ist vielleicht am besten. In Paris wirst du dich wohlfühlen.«
»Ich bleibe in Outjo!« sagte Luba bestimmt. »Ich bleibe dort, wo Dr. Oppermann ist. Nur bei ihm bin ich glücklich.«
»Du – du würdest seine Geliebte werden?«
Es war schwer für einen Vater, so etwas auszusprechen. Das Herz riß ihm auf. Wie von grellen Blitzen erhellt, sah er es: Luba in den Armen des Weißen. Ihr schimmernder bronzener Körper unter seinen Händen. Sein Leib auf ihrem zuckenden Leib. Seine Lippen über ihren Brüsten …
Wie einen Stich empfand er ihre Antwort.
»Ja!« sagte sie ohne Zögern. Es klang nicht nach Trotz, es klang nach einem Bekenntnis, nach Glück. »Ich würde seine Geliebte werden, Vater.«
»Und dann?«
»Ich weiß es nicht. Wer fragt schon viel nach der Zukunft, wenn er jemanden liebt? Hast du bei Mutter danach gefragt?«
»Das habe ich erwartet!« sagte Olutoni dumpf.
»Natürlich, damals waren andere Zeiten. Eine Weiße als Frau eines Schwarzen. In Südwest-Afrika! War meine Mutter nicht für alle eine Aussätzige? Eine Kaffern-Hure? Und war sie nicht trotzdem glücklich mit dir?«
Sie kroch aus dem Bett weiter nach oben und lehnte sich an die Wand. Jetzt fiel das Licht der Nachttischlampe in ihre Augen. Sie schimmerten wie die Lichter eines Leoparden, den man in einen Feuerkreis getrieben hat, und der sich in seiner Ausweglosigkeit anschickt, den Sprung durch die Flammen zu wagen.
Olutoni starrte sie an, sprachlos über die Wildheit, die der Anblick seiner Tochter verriet.
»Soll ich einen Neger heiraten?« sagte sie hart. »Willst du das? Einen schwarzen Mann, nur weil er schwarz ist? Darf mein Geliebter nur eine dunkle Haut haben – weil eure SWAPO ein schwarzes Namibia haben will? Ich bin eine Coloured, ich weiß, wie mich die Weißen hier ansehen, ich weiß, daß ich, daß du, daß wir Farbigen alle darum kämpfen müssen, als vollwertige Menschen angesehen zu werden und nicht nur als emanzipierte Affen … Oh, Papa, das weiß ich alles. Aber ich liebe diesen Weißen, ich liebe ihn, ich liebe ihn, und so wie deine Haut nie weiß werden wird, so wird es auch unmöglich sein, diese Liebe aus mir herauszureißen! Du kannst mich wegbringen lassen – mit Gewalt, anders bringst du mich nicht von ihm fort! Du kannst mich einsperren, du kannst machen, was du willst – ich werde ihn immer lieben, immer und überall, solange mein Herz schlägt. Dir bliebe nur übrig, mir das Herz aus dem Leibe zu reißen!«
»Es ist gut, daß du mir das alles gesagt hast.« Olutoni hob die Hand. »Lösch das Licht, meine Tochter!«
Sie knipste die Lampe aus. Die vollkommene Dunkelheit war erstickend. Sie hörte, wie ihr Vater die Gardine zurückzog. Dann fiel
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