Wie ein Hauch von Zauberblüten
dagegen revoltieren jetzt die Muskeln und Sehnen.‹ Aber die Stationsschwester sagte: ›Im Vertrauen – aber verraten Sie mich nicht! – Sie haben eine leichte Nierenentzündung. Ich gebe Ihnen die nötigen Medikamente.‹ – Nach fünf Tagen war alles vorbei, und der Arzt sagte: ›Na, sehen Sie, jetzt hat sich der Körper beruhigt. Hat nur ein bißchen gemeckert über die vierzehn Stunden.‹ Und ich habe genickt und so getan, als sei das eine große wissenschaftliche Weisheit.«
Sie lachten und fanden einander sympathisch. Das Hauspersonal war gesund bis auf einen alten Knecht, dem die Zähne abfaulten, aber wie bekam man einen solchen Mann nach Grootfontein zum Zahnarzt? Zu anderen Farmen kam die fahrbare Zahnpraxis auch nur einmal im Jahr, aber die Farm von Emil Luther wurde nie angefahren, es sei denn, Luther forderte sie per Funk in Grootfontein an. Das war dreimal geschehen, und dreimal verschwand der Hausknecht rechtzeitig im Busch – so lange, bis der VW-Bus mit dem Roten Kreuz wieder abgefahren und in einer Staubwolke am Horizont untergetaucht war.
Luise zeigte Luba ihre Handarbeiten – Stickereien, Decken mit Hohlsaum und einen Teppichläufer, dessen Knüpfwolle aus Deutschland kam.
»Ihre Mutter war auch eine Deutsche?« fragte Luise später auf der Veranda bei einer Tasse Kaffee.
»Ja, und mein Vater ein Ovambo.«
»Dazu gehörte Mut.«
»Meine Mutter war eine mutige Frau.«
»Wann ist sie gestorben?«
»Vor zwölf Jahren. Sie wurde von einem Leoparden zerrissen.«
»Furchtbar. Und Ihr Vater?«
»Auch er wird tot sein …« Sie sagte es ohne Zögern.
»Sie wissen es nicht genau?« Luise sah Luba erstaunt an.
»Nach dem Tode meiner Mutter gab er mich in ein gutes Töchterheim nach Windhoek. Ich habe nie wieder etwas von ihm gehört.«
»Finden Sie das in Ordnung?« fragte Luise vorsichtig, um Luba nicht an einer empfindlichen Stelle zu treffen. Aber es klang doch der Unterton mit: So sind sie, die Schwarzen! Kein Verantwortungsbewußtsein!
»Er wird seine Gründe gehabt haben«, sagte Luba ruhig. »Ich habe mich damit abgefunden, daß er nicht mehr lebt.«
»Und wenn er plötzlich wieder auftaucht?«
»Warum sollte er?« Sie lächelte abwehrend. »Nach zwölf Jahren? Nein, er ist tot, sonst wäre er schon längst gekommen.«
Pünktlich zum Mittagessen kam Pater Mooslachner zurück.
Es mußte schon Unerhörtes geschehen, daß er eine Mahlzeit verpaßt hätte. Er ging wieder ziemlich normal, nicht mehr so breitbeinig und staksig, und schien sehr zufrieden zu sein. Er konnte sich sogar wieder setzen.
»Was essen wir denn heute, meine Töchter?« fragte er und rieb sich erwartungsvoll die Hände.
»Kartoffeln, Perlhuhn und eingemachte Kürbisse.« Luise Luther blinzelte ihm zu. »Zufrieden?«
»Ich fühle mich im Paradies! – Seien Sie mal einen Augenblick ganz still! Da! Haben Sie es gehört? Der dumpfe, grollende Ton? Das war mein leerer Magen! Er jubelt vor Vorfreude.«
»In zwanzig Minuten essen wir.«
»Wo sind Emil und mein Saubua, der Prusius?«
»Noch nicht zurück. Auf die können wir nicht warten. Wenn Emil jagt, kann es Abend werden.«
»Wie geht es Ihren neuen Christen?« fragte Luba. Luise ging ins Haus, um den beiden Hausmädchen zu sagen, sie könnten auf der Veranda den großen Tisch decken.
»Dein Patient lebt.«
»Ich weiß. Ich habe ihn am frühen Morgen besucht.«
»Ich bin dabei, sie umzufunktionieren«, sagte Mooslachner. »Im Moment glauben sie noch an mich. Ich muß ihnen klar machen, daß ich nur ein Werkzeug Gottes bin, und an den müssen sie glauben. Vor allem aber muß Emil Luther helfen. Sie müssen sehen, daß er als Christ wahrhafte Nächstenliebe praktiziert. Daß man sie als Menschen, ja als Brüder behandelt. Und sie müssen lernen, daß man Gott nicht fürchten, sondern lieben soll. Daß ein Ewiges Leben auf sie wartet und kein unruhiges Geisterdasein. Christentum kann man nur verkünden in der Erkenntnis, daß wir alle Kinder Gottes sind, gleich, welcher Hautfarbe und Herkunft.« Mooslachner holte tief Atem. »Das ist ein langer Prozeß. Da muß man Geduld haben. Ich bin glücklich, daß es mir gelungen ist, Herzen und Ohren für die Botschaft geöffnet zu haben. Auch, wenn ihr mich alle beschimpft! Das Duell war notwendig!« Er hob den Kopf, schnupperte und grunzte zufrieden. Aus der Küche duftete es nach Brathuhn. »Habt ihr noch mal mit Dr. Oppermann gesprochen?«
»Nein.«
»Er hat nicht angefragt, wie es mir geht?«
»Mit keiner
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