Wie ein Hauch von Zauberblüten
Mooslachner schüttelte den Kopf. »Sie begreifen nicht, daß Mord und Brand keine Mittel sind, um Freiheit zu erzwingen. Wer mordet, wird unglaubwürdig, wenn er gleichzeitig von Menschenrecht und Frieden redet! Was mich am meisten erschüttert: Es sind getaufte Christen! Sie beten am Sonntag, nehmen am Montag ihr Schnellfeuergewehr, schleichen über die Grenze und ermorden Weiße. Christen!« Mooslachner versuchte ein paar größere Schritte. Es gelang ihm ganz gut. Die Salbe kühlte und betäubte den Schmerz, der Verband war elastisch. »Sie können wirklich etwas, Doktor.«
»Ich bin gespannt, wie Windhoek auf Prusius' Schießkunst reagiert«, sagte Oppermann.
»Gar nicht. Man wird es registrieren, wird einen Bericht anfordern und dann eine Aktenleiche daraus werden lassen. Prusius hat natürlich auch schon in Windhoek angerufen und seine Verbindungen spielen lassen. Nur die Ovambos werden reagieren. Und da habe ich Sorge um den völlig schuldlosen Emil Luther. Ihm sollte man eine Gruppe Soldaten ins Haus legen.«
»Sie glauben, daß es bald zu größeren Aktionen der SWAPO kommt?«
»Aber ja! Zum Spazierengehen oder zur Luftveränderung sickern die nicht im Norden ein. Irgend etwas braut sich da zusammen. Es war schon zu lange still in Südwest, das hat mich längst nachdenklich gemacht. Keine Sabotageakte, keine Bombenanschläge, keine Überfälle, nur Aktivitäten auf dem politischen Parkett. Hat Ihnen Prusius auch schon von dem dicken Dossier erzählt, das von deutscher Seite an die SWAPO übergeben worden sein soll?«
»Ja.«
»Halten Sie das für möglich?«
»Durchaus.«
»Die Heimat will aktiv in einem schwarzen Namibia eingreifen, mit Planwirtschaft und Steuerknebeln nach deutschem Muster?«
»Wenn es um die Sicherstellung von Rohstoffen, vor allem von Uran, geht – und Namibia hat ungeheure Rohstoffvorräte –, dann gibt es keine Gefühlsduselei mehr. Das sind die berühmten politischen Grunddogmen: Die Allgemeinheit ist wichtiger als der einzelne. ›Gemeinnutz geht vor Eigennutz‹, hieß es einmal. So kann man das aber nicht mehr sagen, denn das ist Nazisprache. Aber an das Recht des Individuums glaubt im Ernst doch kein Politiker, hat nie einer geglaubt. Warum wundert Sie also die Botschaft aus Bonn? Hätte man sie nicht bei uns fabriziert, so wäre sie von dem Genossen Popow gekommen, oder von Sir Brian, oder von Monsieur Duval, oder von Señor Caranha, oder von Mr. Jack Blubb, oder von Hakiro Sumaruru … Bonn war dieses Mal schneller. Und wenn wirklich all das, was Prusius erzählt, auf diesen besagten Seiten steht, dann wird Namibia einmal mit perfekter deutscher Gründlichkeit verwaltet und zum exzellenten Steuerzahler werden.«
»Die Zukunft ist also dunkel!« sagte Mooslachner dumpf. »So oder so: Man kann nur schwarz sehen!«
Erst als er es ausgesprochen hatte, wurde ihm das unfreiwillige Wortspiel klar; er grinste schief, ging zum Fenster und trommelte mit den Fingern gegen die Scheibe.
»Doktor, Sie wären ein halber Engel, wenn ich jetzt ein Bier bekäme.«
Im Vorraum des Labors gingen die Untersuchungen weiter. Luba sprach mit den Kranken, die Urulele nicht übernehmen konnte. Die meisten kamen schon zum wiederholten Male in die Ambulanz, erhielten ihre Injektionen, ihre Pillen oder Kapseln, wurden verbunden, gepudert oder eingecremt. Urulele kannte sie fast alle, und Nkulele hatte sogar eine Art Computergehirn entwickelt. Sie benötigte kaum noch die Karteikarte; sie warf durch die riesigen getönten Brillengläser lediglich einen Blick auf den Kranken, ließ die Straßsteine funkeln und nannte mit unbegreiflicher Sicherheit Namen und Krankheit.
Während im Untersuchungszimmer Dr. Oppermann mit der wunden Hinternhaut des Paters beschäftigt war, hatten Urulele und Luba in zwei Schichten die Ambulanz aufgeräumt. Einer der Kranken, die Nkulele zu Luba schickte, war ebenfalls ein alter Bekannter, aber wegen seines chronischen Leidens ein Fall für den Chef selbst: Ein ständig hustender Ovambo mit einem Holzbein.
Luba ließ ihn wortlos eintreten, schloß hinter ihm die Labortür, ging zum Fenster und verriegelte es. Dann wandte sie sich tief atmend nach ihm um. Der Ovambo stützte sich auf eine Stuhllehne, krümmte sich etwas nach vorn und hustete zum Steinerweichen.
»Laß das!« sagte Luba streng. »Du bist gesund!«
Der Einbeinige richtete sich auf, starrte Luba erstaunt an und erschöpfte sich noch einmal in einer Hustenkanonade. »Meine Lunge zerreißt!« sagte er
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