Wie ein Hauch von Zauberblüten
einem Vorhang aus hitzeflimmernder Luft. Aus den Meldungen der Beobachter an den Grenzen, der Informanten des Geheimdienstes, der V-Männer in Sambia und Angola setzte sich das Lagebild zusammen: Neue Aktivitäten der radikalen Gruppen. Gefangene, die man bei Razzien im Grenzgebiet gemacht hatte – in der Öffentlichkeit wurde nicht über sie gesprochen –, hatten nicht nur sowjetische Kalaschnikows bei sich, sondern auch deutsche Sturmgewehre. Woher die Waffen kamen, darüber wußte keiner etwas zu sagen. Sie waren von den Kommandeuren verteilt worden. Angolanische Unteroffiziere und kubanische Berater bildeten die Guerilleros an diesen Waffen aus.
Was bedeutete bei dieser nur scheinbar noch stillen, in Wahrheit höchst brisanten Lage der Tod eines Ovambos im Veld? Man sagte Prusius, die Sache sei erledigt.
Drei Tage nach ihrer Rückkehr von Luthers Farm vernichtete ein großer Buschbrand bei Ubio, westlich von Otavi, fast den gesamten Viehbestand des Farmers Willem de Boos. Feuer brach auch auf fünf anderen Farmen aus: bei Lupala, Otjitambi, Okamatangara, Tsintsabis und Otjituuo. Am Unterlauf des Flusses Otjisondjou, im trockenen Flußbett, wurden von Unbekannten zweihundertdreiundvierzig Stück Rindvieh des Farmers Peter Steinbrücher erschossen. Alles Gegenden, wo kein Militär lag, wo man auch keine Patrouillen fahren konnte, wo es völlig sinnlos war, nach staatlichem Schutz zu rufen. Die Größe des Landes, die unendlichen Weiten, das grenzenlose Veld waren einfach nicht zu überblicken. Für eine Guerilla-Truppe war es dagegen fast ungefährlich, plötzlich aufzutauchen, zu zerstören und wieder im unübersichtlichen Busch zu verschwinden.
Es gab nur eine Möglichkeit, sich zu schützen: den Selbstschutz.
Was vor Monaten schon begonnen worden war, wurde nun mit verstärktem Einsatz eiligst weitergeführt: Die Farmen wurden zu kleinen Festungen ausgebaut. Um die Häuser herum wurde freies Schußfeld gerodet, und Wehrtürme aus dicken Felssteinen wurden gebaut, in die man sich als letzte Zuflucht zurückziehen konnte, wenn das Haus abbrannte. Diese Steintürme mit Stahltüren und schmalen Schießscharten konnten nicht brennen. In ihnen lagerten Vorräte, die eine längere Belagerung aushalten ließen. Die Frauen übten wieder an Gewehren, ebenso die größeren Kinder.
Noch war Ruhe im Land, aber dieser Frieden trog. Die Buschbrände bewiesen es; es waren gelegte Feuer – Terror, der langsam zermürben sollte.
In Outjo merkte man davon nichts. Man diskutierte zwar die Buschbrände im ›Deutschen Haus‹, schimpfte auf die UNO, schlug vor, jeden Schwarzen, den man mit einer Waffe antraf, sofort an den nächsten Baum zu hängen, und fragte Pater Mooslachner hämisch, weshalb die Kirche zu all dem schweige, und ob auch Rom, gleich der UNO, Südwest abgeschrieben habe.
»Fragt den Heiligen Vater!« schnauzte Mooslachner die Frager an. »Ich gebe euch die Adresse. Schreibt hin! Ich werde jedenfalls meine Buschkirche weiterhin besuchen, auch mit der Maschinenpistole im Arm. Es ist nicht Gottes Wille, daß ich mich wehrlos töten lassen soll. Im übrigen reagiert ihr genau so, wie es die Guerillas wollen: Ihr werdet hysterisch. Ihr bekommt Angst. Wie lange lebt ihr denn in Südwest?! Das ist doch alles schon mal dagewesen!«
»Aber da gab es keine Sowjets, die Waffen lieferten«, grollte der Bäcker Heinemann. »Und keine Heimat, die uns verriet!«
»Das stimmt!« Pater Mooslachner hob wie resignierend die Schultern. »Das ist das Neue, womit wir rechnen müssen.«
An diesem Abend sagte er zu Dr. Oppermann, der ihn zu einem ›Rindsgulasch ungarisch‹ eingeladen hatte:
»Was würden Sie tun, Doktor, wenn Ihnen verwundete Guerilleros heimlich ins Haus getragen würden?«
»Sie operieren!« antwortete Oppermann ohne Zögern.
»Und dann ausliefern?«
»Was würden Sie tun, Pater, wenn zu Ihnen ein Schwarzer kommt und beichtet: ›Ich bin ein Guerillero, ich habe gestern drei Weiße getötet.‹ Würden Sie die Polizei rufen?«
»Wir haben beide einen Beruf, der unser Gewissen auffrißt«, sagte Mooslachner dumpf. »Gebe Gott, daß wir das nicht bald zu spüren bekommen.«
An einem ziemlich dunklen, vom Neumond kaum erleuchteten Abend gelang es Prusius endlich, Luba Magdalena Olutoni wieder einmal allein zu begegnen.
Es war ein Zufall. Luba kam von der Apotheke, aus der sie ein paar Medikamente entliehen hatte. Auf der Station war der Vorrat ausgegangen, der nächste Transport aus Windhoek war erst
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