Wie ein Haus aus Karten
Bayern mit Waffengewalt entgegenzutreten«.
Die Gründe der rechtskonservativen Bayerischen Volkspartei, sich zunächst gegen die Nazis zu stellen, bevor sie wie alle anderen rechten Parteien schließlich in der NSDAP aufgeht, sind vermutlich nicht primär in einem heroischen Kampf gegen die Inhalte des Nationalsozialismus zu suchen, sondern vor allem in der Tatsache, dass die NSDAP ab 1931 im Freistaat Bayern zur zweitgrößten Partei geworden ist und somit für die Bayerische Volkspartei eine Konkurrenz im Kampf um die Wählerstimmen darstellt. Dass die Bayernwacht über ein beachtliches Waffenarsenal verfügt, das sich in ihrem Würzburger Hauptsitz, der Gothenburg, befindet, ist der Gestapo, die sich 1933 in der Festung Marienburg auf den Hügeln über Würzburg einquartiert hat, nicht verborgen geblieben.
Es ist März 1933. Eine Hausdurchsuchung der Gothenburg steht bevor. Hans erfährt davon über Mittelsmänner und entwickelt, um die Entdeckung der dort gelagerten Waffen zu verhindern, einen Plan, der Züge eines Räuber-und-Gendarm-Spiels trägt. Für seine Frau hat er einen besonderen Auftritt vorgesehen, für den ihre auffallende Erscheinung und ihre Schlagfertigkeit entscheidende Voraussetzungen sind. Sie ist Hauptdarstellerin in einem Spiel, in dem sie ihr Leben riskiert. Dass sie keinen Augenblick glaubt, ernsthaft in Gefahr zu sein, ist verständlich, denn Drehbuchautor und Regisseur ist ihr eigener Mann.
Mady muss unter den Augen der Gestapo die Karabiner in großen Kartons aus der Burg schaffen, ohne dabei entdeckt zu werden. Zunächst werden sie mit Toilettenpapier gefüllt. Die Gestapo hält Mady an. Sie muss die Kartons öffnen. Als Toilettenpapierrollen herausfallen, gibt es Gelächter bei den Männern, und meine Mutter lacht mit. Die Szene wiederholt sich noch ein paarmal. Als sich dann tatsächlich Karabiner in den Kartons befinden, fragt keiner mehr nach dem Inhalt. Die Waffen versteckt Mady in den Rollladenkästen im Haus ihrer Mutter in der Sterngasse.
Meine Großmutter kennt das Risiko, aber sie nimmt es in Kauf. Sie toleriert die politische Überzeugung ihres Schwiegersohns nicht nur, sie teilt auch seine christlich geprägten Werte. Als kurz darauf eine Horde der SA und zwei Polizisten der Stadt Würzburg die Gothenburg durchsuchen, finden sie lediglich ein verrostetes Seitengewehr und einen Spielzeugrevolver.
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1934 muss die inzwischen vierköpfige Familie Lang von Würzburg nach Frankfurt in Hessen übersiedeln. Mein Vater kann in Bayern seinen Beruf als Jurist nicht mehr ausüben. Ein offizielles Berufsverbot gibt es damals noch nicht, wohl aber seit 1933 ein Gesetz zur »Wiederherstellung des Berufsbeamtentums« und in dessen Folge weitere Notverordnungen und Erlasse für besondere Fälle, zu denen wohl auch mein Vater gehört. Vielleicht hat auch nur eine eindringliche Warnung der neuen Machthaber den Anstoß für den überstürzten Ortswechsel gegeben. Einer der Gründe ist die Veröffentlichung einer Dokumentation, in der mein Vater die zwielichtige Vergangenheit der gerade aufsteigenden Nazigrößen anprangert. Meine Großmutter hat mir davon erzählt, und auch in den Erinnerungen meines Pflegevaters befindet sich ein Hinweis, dass sein »Schwager Rechtsanwalt Dr. Hans Lang … kurz vor 1933 ein Buch über die maßgeblichen Leute der NSDAP veröffentlicht, das ihm seither großen Ärger einbrachte«.
Was Necko lapidar als »großen Ärger« bezeichnet, bedeutet für meinen Vater das Ende seiner juristischen Laufbahn. Während Hans Lang zu dem Schluss kommt, der ehemalige Freikorpsmann und Duzfreund Hitlers, Ernst Röhm, sei »ein Haudegen und bramarbasierender Landsknecht«, und zahlreiche seiner Vergehen wie die seiner Reiterkameraden aufdeckt, hält Josef sich in Röhms Entourage auf, der es, wie er schreibt, »genoss, mit zwölf, dreizehn Reiterkameraden, ich meist neben ihm, hoch zu Ross Hof zu halten«.
Meine Schwester Uschi glaubt einen weiteren Grund dafür zu kennen, dass unser Vater seinen Berufsweg aufgeben muss. In seiner Doktorarbeit hat er sich intensiv und kritisch mit Fragen des Staatsrechts auseinandergesetzt. In einer wissenschaftlichen Analyse, mit der er sich eindeutig politisch exponiert, weist mein Vater nach, dass die Machtübernahme Hitlers unter rechtsstaatlichen Aspekten illegal und damit das Dritte Reich nicht auf einem rechtsstaatlichen Fundament aufgebaut ist. Diese Vermutung wird durch ein Jahre später aufgesetztes Dokument der Geheimen
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