Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
habe ich dir schon gesagt. Ich wollte nochmal ganz von vorn anfangen.«
Jo schien durch sie hindurchzusehen, während sie über die Antwort nachdachte. »Okay«, murmelte sie dann beiläufig. »Du hast Recht. Es geht mich nichts an.«
»Aber das habe ich nicht gesagt …«
»Doch. Du hast es nur sehr nett und höflich formuliert. Und ich respektiere deine Antwort, weil du wirklich Recht hast – es geht mich nichts an. Aber wenn du sagst, du wolltest noch mal neu anfangen, dann fragt sich natürlich die Psychologin in mir, was der Grund dafür sein könnte. Oder anders ausgedrückt: was du hinter dir lassen möchtest.«
Katie spürte, wie sich ihre Schultern verkrampften. Jo schien zu merken, dass sie sich nicht wohlfühlte, und sagte mit sanfter Stimme:
»Hör zu, ich mach dir einen Vorschlag. Vergiss einfach, dass ich die Frage gestellt habe. Aber falls du mal das Bedürfnis haben solltest, darüber zu reden – ich bin für dich da. Okay? Ich kann gut zuhören. Vor allem meinen Freunden. Und ob du’s glaubst oder nicht: Manchmal tut es gut, über etwas zu sprechen.«
»Aber was ist, wenn ich nicht darüber sprechen kann ?« Katie flüsterte, obwohl sie das gar nicht wollte.
»Denk einfach nicht dran, dass ich bei einer Beratungsstelle arbeite. Wir sind Freundinnen, und Freundinnen können über alles Mögliche reden. Zum Beispiel darüber, wo du auf die Welt gekommen bist und was du als Kind besonders gern gemacht hast.«
»Warum ist das wichtig?«
»Es ist nicht wichtig. Genau das ist der Punkt. Du musst nichts sagen, was du nicht sagen willst.«
Katie ließ die Worte auf sich wirken, dann betrachtete sie Jo mit zusammengekniffenen Augen. »Du bist sicher gut in deinem Job, stimmt’s?«
»Man tut, was man kann.«
Katie faltete die Hände im Schoß. »Also gut. Ich wurde in Altoona geboren. Altoona, Pennsylvania.«
Jo lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. »Da war ich noch nie. Ist es schön dort?«
»Altoona ist eine von diesen typischen alten Eisen bahnstädten. Dort wohnen anständige, fleißige Menschen, die hart arbeiten, um etwas aus ihren Leben zu machen. Und die Stadt ist ziemlich hübsch, vor allem im Herbst, wenn die Blätter bunt werden. Ich habe immer gedacht, nirgends auf der Welt kann es schöner sein als in Altoona.« Katie senkte den Blick, ganz in ihren Erinnerungen verloren. »Meine beste Freundin hieß Emily. Und wir haben immer Pennymünzen auf die Bahngleise gelegt. Nachdem der Zug vorbeigefahren war, haben wir die Münzen überall gesucht, und meistens haben wir sie auch gefunden und uns jedes Mal darüber gewundert, dass die ganze Prägung weg war. Manchmal waren sie noch richtig heiß. Ich habe mir einmal fast die Finger verbrannt. Wenn ich an meine Kind heit denke, fallen mir immer solche Kleinigkeiten ein.«
Sie zuckte die Achseln, aber weil Jo schwieg, erzählte sie weiter.
»Ich bin in Altoona auch in die Schule gegangen. Bis zum Highschool-Abschluss. Aber dann – ich weiß auch nicht … Wahrscheinlich hatte ich die Stadt einfach satt. In solch einem kleinen Kaff ist jedes Wochenende gleich. Dieselben Leute bei den Partys, dieselben Jungs, die hinten auf ihren Pick-up-Trucks Bier trinken. Ich wollte etwas Neues sehen. Mit dem College hat es leider nicht geklappt – und schließlich bin ich in Atlantic City gelandet. Dort habe ich eine Weile gearbeitet, aber ich bin öfter umgezogen, und jetzt bin ich hier.«
»Wieder in einer Kleinstadt, in der immer alles gleich bleibt.«
Katie schüttelte den Kopf. »Nein, hier ist es irgendwie anders. Hier fühle ich mich …«
Als sie zögerte, vollendete Jo den Satz für sie.
»Sicher?«
Katie blickte verdutzt auf. Jo lächelte. »Es ist nicht besonders schwer, darauf zu kommen. Du hast ja gesagt, dass du nochmal neu anfangen möchtest. Und dafür gibt es nichts Besseres als ein Nest wie Southport, eine Stadt, in der nie etwas passiert.« Sie überlegte kurz. »Das heißt – so ganz stimmt das nicht. Ich habe gehört, dass es erst neulich einen kleinen Zwischenfall gab, gerade als du im Laden warst, nicht wahr?«
»Du hast davon gehört?«
»Ja, so ist das in einer Kleinstadt. Es ist unmöglich, nicht davon zu erfahren. Was ist denn genau passiert?«
»Es war echt schlimm. Ich habe mich gerade mit Alex unterhalten, und da ist mein Blick zufällig auf den Monitor hinter der Kasse gefallen, und bevor ich was sagen konnte, hat Alex schon an meinem Gesichtsausdruck gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt, und ist
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