Wie ein Licht in der Nacht - Sparks, N: Wie ein Licht in der Nacht
und im Laufe der Zeit habe ich ein gutes Gespür entwickelt, eine Menschenkenntnis, auf die ich mich verlassen kann. Wie wir beide wissen, ist Alex ein sehr netter Mann, und als ich dich kennengelernt habe, hatte ich bei dir ein ganz ähnliches Gefühl. Aber abgesehen davon habe ich nichts getan – außer dass ich dich ein bisschen mit ihm aufgezogen habe. Du kannst nicht behaupten, ich hätte dich in den Laden gezerrt und ihm vorgestellt oder was. Ich war auch nicht dabei, als er dich gefragt hat, ob du an den Strand mitgehst. Übrigens eine Einladung, die du gern angenommen hast, oder?«
»Kristen hat gesagt, ich soll doch mitkommen …«
»Ich weiß. Das hast du mir schon erzählt.« Jo zog die Augenbrauen hoch. »Und ich bin davon überzeugt, dass du nur deswegen mitgegangen bist.«
Ärgerlich machte Katie eine Grimasse. »Du hast eine komische Art, die Dinge zu verdrehen.«
Doch Jo lachte wieder. »Bist du je auf die Idee gekommen, das könnte etwas damit zu tun haben, dass ich neidisch bin? Nicht, weil du mit Alex ans Meer gefahren bist, sondern weil du die Möglichkeit hattest, an den Strand zu gehen, an einem perfekten Tag – während ich im Haus eingesperrt war und die Wände streichen musste. Schon den zweiten Tag! Ich will nie wieder in meinem ganzen Leben eine Malerrolle in die Hand nehmen. Meine Arme tun weh, meine Schultern tun weh, es ist furchtbar.«
Katie ging an die Spüle, goss sich noch eine Tasse Kaffee ein und hielt Jo die Kanne hin. »Nachschub?«
»Nein, danke. Ich muss heute Nacht gut schlafen, und das Koffein würde mich wach halten. Ich glaube, ich bestelle mir beim Chinesen eine Frühlingsrolle. Möchtest du auch was?«
»Nein, danke, Hunger habe ich wirklich nicht«, antwortete Katie. »Ich habe heute zu viel gegessen.«
»Kann ich mir gar nicht vorstellen. Aber du hast von der Sonne echt Farbe bekommen. Steht dir gut. Auch wenn du natürlich später davon Falten kriegst.«
»Danke für die ermutigenden Worte!«, schnaubte Katie empört.
»Wozu hat man Freunde?« Jo stand jetzt auch auf und streckte sich wie eine Katze. »Übrigens – der Abend gestern hat mir Spaß gemacht. Aber ich muss gestehen, dass ich heute Morgen dafür büßen musste.«
»Es war echt nett, finde ich auch.«
Katies Nachbarin ging in Richtung Tür, drehte sich aber noch einmal um. »Da fällt mir ein – ich habe ganz vergessen, dich zu fragen, ob du das Fahrrad behältst.«
»Ja, ich behalte es.«
»Find ich gut.«
»Wie meinst du das?«
»Ich will damit nur sagen, ich denke nicht, dass du es zurückgeben solltest. Du brauchst es offensichtlich, und er wollte es dir geben. Warum sollst du es dann nicht behalten?« Sie zuckte die Achseln. »Dein Problem ist, dass du Dinge manchmal überinterpretierst.«
»Zum Beispiel bei meiner manipulativen Freundin?«
»Findest du wirklich, dass ich manipulativ bin?«
Katie überlegte kurz. »Ein bisschen schon.«
Jo grinste. »Und wie sieht dein Terminplan nächste Woche aus? Musst du viel arbeiten?«
»Ja, allerdings. Sechs Abendschichten und außerdem drei Tagschichten.«
»Ach du Schreck.«
»So schlimm ist das nicht. Ich brauche die Kohle, und ich bin es gewohnt.«
»Und du hattest schließlich ein sehr erholsames Wochenende.«
»Ja«, sagte Katie nach einer Pause. »Das stimmt.«
KAPITEL 13
Die nächsten Tage verliefen ziemlich ereignislos – weshalb für Alex die Zeit nur noch langsamer zu vergehen schien. Er hatte nicht mehr mit Katie gesprochen, seit er sie am Sonntagabend nach Hause gebracht hatte. Dass sie nicht im Laden auftauchte, war nicht weiter verwunderlich – er wusste, dass sie während der Woche viel arbeiten musste. Trotzdem trat er mehr als einmal hinaus ins Freie und schaute die Straße entlang. Und war jedes Mal enttäuscht, weil er Katie nicht sah.
Auf jeden Fall konnte er sich nicht der Illusion hingeben, er hätte sie so verzaubert, dass sie jeden Tag zu ihm in den Laden gerannt kam. Er staunte selbst über die fast pubertäre Vorfreude, die ihn überkam, wenn er daran dachte, dass er sie bald wiedersehen würde. Auch wenn es ihr offenbar anders ging. Er sah sie vor sich, wie sie am Meer stand, er sah ihre kastanienbraunen Haare, die im Wind wehten, ihre feinen Gesichtszüge und ihre Augen, die jedes Mal, wenn sie ihn anschaute, die Farbe zu wechseln schienen. Im Laufe des Tages hatte sie sich immer mehr entspannt, und Alex hatte überhaupt das Gefühl, dass sich dort am Strand ihre abweisende Art ein wenig
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