Wie ein Prinz aus dem Maerchen
andere zu verlassen – auch nur für ein paar Schritte – war ihr unangenehm.
„Du bist nicht müde, sondern völlig erschöpft!“
„Ich frage mich, woran das liegt. Immerhin habe ich den größten Teil des Flugs verschlafen.“
„Am Jetlag! In Charlotte herrscht jetzt tiefste Nacht. Es wird ein paar Tage dauern, bis deine innere Uhr sich umgestellt hat. Aber keine Sorge, du kannst dich gleich ausruhen. Schlaf nur nicht zu lange, sonst gerät sie noch mehr aus dem Takt.“
„Ein kurzes Nickerchen genügt mir.“
„Das sollst du haben!“
Er lächelte ihr zu, und ihr stockte der Atem. Möchtest du mich nicht zu Bett bringen und mir einen Gute-Nacht-Kuss geben? dachte sie sehnsüchtig. Im selben Moment verfehlte ihr Fuß eine Stufe. Sie kippte wie in Zeitlupe nach hinten über, griff mit der rechten Hand nach dem Geländer, mit der linken klammerte sie sich an seinen Arm. Irgendwie gelang es ihm, sie aufzufangen.
„Bist du in Ordnung?“, erkundigte er sich besorgt.
„Ja, danke.“
„Es sind nur noch wenige Stufen.“
Das war auch gut so, denn Isabel bebte am ganzen Körper – nicht wegen des Sturzes, sondern wegen Nikolas. Er zog sie wie magisch an, strahlte eine überwältigende Präsenz aus und war obendrein ausgesprochen attraktiv. Sie musste dringend Abstand zu ihm wahren!
Daher ließ sie seinen Arm los, sobald sie festen Boden erreichten, und trat einen Schritt zur Seite. Der Chauffeur öffnete ihr den hinteren Wagenschlag, und sie stieg in die Limousine ein. Erleichtert ließ sie sich in den bequemen Ledersitz sinken und streckte die Beine aus. Endlich allein!
Im selben Augenblick ließ Nikolas sich direkt neben ihr nieder, obwohl alle anderen Plätze im Fond frei waren.
Verflixt, dachte sie, hat dieser Mann noch nie etwas von persönlichem Freiraum gehört? Sie spürte seinen Schenkel an ihrem Bein. Das konnte doch keine Absicht sein? Ihr wurde ganz heiß.
Egal wie gut der Prinz ihr auch gefiel, sie durfte seiner Anziehungskraft nicht erliegen! Ihr Noch-Ehemann war so gut wie verlobt mit einer anderen, sein Herz war nicht frei.
Rasch rückte sie ein Stück von ihm ab und suchte nach einem unverfänglichen Thema. „Wo ist Jovan?“
„Er sitzt vorn neben dem Fahrer.“ Nikolas betätigte einen Knopf, und die dunkel getönte Glasscheibe, die das Heck der Limousine von der Fahrerkabine trennte, senkte sich ein Stück ab. „Er sorgt dafür, dass deinem Einkaufsbummel nachher nichts im Wege steht.“
„Das hat doch Zeit.“
„Die würde ich dir gern lassen, doch meine Eltern erwarten dich heute Abend zum Dinner.“
„Heute schon?“ Der Schreck verschlug ihr fast die Sprache. „Das ist … sehr freundlich, aber doch nicht nötig! In wenigen Tagen sind wir nicht mehr verheiratet …“
„Unsere Eltern waren eng miteinander befreundet. Außerdem bist und bleibst du eine veronianische Prinzessin und damit Teil meiner Familie.“
„Wie großzügig von euch!“ Mit Mühe unterdrückte sie ein Gähnen.
„Sobald du ausgeruht bist, geht es los. Eine im höfischen Protokoll erfahrene Dame wird dich beraten und dir helfen, die passende Garderobe für unterschiedliche Anlässe auszuwählen.“
„Danke“, murmelte Isabel, die nicht recht wusste, ob sie sich über die angekündigte Unterstützung freuen oder deswegen beleidigt sein sollte. Modische Trends waren ihr gleichgültig, farbenblind war sie jedoch nicht. „Ich brauche nicht viel.“
„Die meisten Frauen schätzen eine umfangreiche Garderobe.“
„Ich bin nicht wie die meisten.“
„Nein, gewiss nicht!“
Das war kein Kompliment, doch es kränkte sie nicht. Sie war nun einmal keine typische Prinzessin und gehörte nicht nach Veronia. Es ging ihr bei ihrer Reise lediglich darum, ihre Angelegenheiten in Ordnung und möglichst viel über ihre Familie in Erfahrung zu bringen. Sobald das erledigt war, würde sie umgehend nach Amerika zurückkehren.
Das Fahrzeug setzte sich in Bewegung, und Nikolas wies sie auf die Stadt hin, die sich auf einer Anhöhe vor ihnen erhob. „Wir fahren jetzt in die Hauptstadt.“
Diese erwies sich als relativ klein, doch sie pulsierte vor Leben. Menschen eilten geschäftig hin und her, und auf den schmalen Straßen drängte sich der Verkehr dicht an dicht. Auf einer weitläufigen Baustelle wurde ein vierstöckiges Gebäude errichtet, direkt nebenan verliehen Maler auf einem Gerüst einem neuen Geschäftszentrum den letzten Anstrich. Zwei Teenager, die einen Fußball zwischen sich hin und her
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