Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Wann hast du je Ross Coleman getroffen?«
Sugar starrte sie ausdruckslos an. »Erinnerst du dich nicht daran, dass ich dir davon erzählt habe? Als ich anfing, hier zu arbeiten, entdeckten wir doch, dass unsere Pfade sich bereits einmal gekreuzt hatten. Erinnerst du dich nicht, dass wir uns gewundert haben, was für ein Zufall das war? Ich arbeitete damals in Arkansas für dieses Miststück, das sich LeRue nannte«, sagte sie und gab dadurch Priscillas Gedächtnis einen Anstoß. »Und du warst bei dem Treck, der auf der Durchreise war.«
In Priscillas Kopf wirbelte alles durcheinander. »Erzähl mir noch einmal davon«, sagte sie, führte Sugar zu einem Sessel und schenkte ihr noch einen Drink ein. Vage erinnerte sie sich, dass sie eines Tages, kurz nachdem Sugar begonnen hatte, für sie zu arbeiten, erwähnt hatte, dass sie mit ihren Eltern in einem Wagentreck von Tennessee nach Texas gekommen war. Sugars Gesicht hatte aufgeleuchtet. Sie hatte Priscilla gefragt, ob auch ein Mann namens Coleman bei dieser Gruppe gewesen sei. Dann war sie unvermittelt vom Thema abgeschweift. Priscilla hatte es für das unzusammenhängende Geschwätz einer betrunkenen Hure gehalten, gegen die sie von Anfang an Vorbehalte gehabt hatte.
»Erzähl mir, wie du Ross Coleman kennengelernt hast.«
Sugar lächelte und langte nach ihrem Glas. »Genau das ist es ja. Er heißt gar nicht wirklich Coleman.«
Priscillas Blick war hellwach, als sie beobachtete, wie Sugar einen langen, durstigen Zug nahm. Ihre Lippen verzogen sich zu einem gehässigen Lächeln. Als Sugar ausgetrunken hatte, goss Priscilla ihr noch einen Drink ein.
Banner schaukelte im Rhythmus des Zuges hin und her. Die unablässige wiegende Bewegung war entspannend und wirkte einlullend. Im Abteil wurde es dunkel. Nur wenige strategisch platzierte Lampen brannten schwach.
Sie warf einen Blick auf den Mann, der auf dem Sitz neben ihr saß. Er starrte aus dem Fenster. Als spürte er ihren Blick, drehte er ihr den Kopf zu.
Seine Augenbrauen erschienen in seinem kaum beleuchteten Gesicht fast weiß. Unter ihnen schauten seine unglaublich blauen Augen sie an. Für einige lange Augenblicke blickten sie einander an. Banner wusste, dass jeder trübe Gedanke auf ihrem Gesicht zu sehen war. Der Aufruhr in ihr über die Vergangenheit ihrer Mutter, die Neuigkeit, dass sie ein tot geborenes Halbgeschwisterchen hatte, Gradys entwürdigendes Verhalten ihr gegenüber, hatten sich in ihrer Seele zu einem Strudel der Gefühle verbunden, der sie hinabzog.
Aber als sie in Jakes Gesicht schaute, sonnte sie sich in ihrer Liebe zu ihm. Daran würde sie sich halten, alles andere vergessen und nur noch daran denken, wie dieser Mann ihr Herz erfüllte.
»Danke.« Ihre Lippen bewegten sich kaum. Die Worte waren mehr geseufzt als gesprochen. Aber er hörte sie und lächelte mit einem Mundwinkel.
»Dass ich jemanden zusammengeschlagen habe, der es verdient hat?« Er krümmte die Finger. »Dafür brauchst du mir nicht zu danken, Banner. Das Vergnügen war ganz auf meiner Seite.«
Sie schüttelte den Kopf. »Du warst da, als ich dich brauchte.«
»Das möchte ich immer.«
Als Jake die Worte laut aussprach, wurde ihm klar, dass er es auch so meinte. Es hatte keinen Zweck, dagegen anzukämpfen, und er war es leid, davor wegzulaufen und so zu tun, als wäre es nicht so. Sie hatte ihre Haken in ihn geschlagen, und er war zum willigen Opfer geworden.
Er wusste, verdammt noch mal, nicht, was er tun sollte. Aber etwas tun musste er, selbst wenn das bedeutete, dass er mit dem Hut in der Hand zu Ross ging und ihm alles beichtete, auch auf die Gefahr hin, erschossen zu werden.
Er hatte Sheldons Gewalttätigkeit, seinen körperlichen Angriff auf Banner als Entschuldigung benutzt, um mit dem Mann zu kämpfen. Jetzt, nachdem er stundenlang darüber nachgedacht hatte, musste er zugeben, dass er es allein schon aus schierer Eifersucht getan hätte. Sie hatte ihn völlig blind gemacht. Hätte Sheldon Banner zärtlich im Arm gehalten und sie sanft geküsst, dann hätte dieselbe Wut ihn durchzuckt, die Lust, Sheldon zu töten, nur weil er sie berührte.
Was würden Ross und Lydia, was seine eigene Ma denken, wenn er ankündigte, dass er Banner heiraten wollte? Sie würden vor Schreck sprachlos sein, Aber das war egal. Nicht sie, nicht ihre Ansichten zählten so viel wie die Frau, die jetzt zu ihm aufschaute und seine Sinne weckte. Nicht einmal Lydias Meinung zählte. Jetzt zählte nur noch Banner, und sie sagte
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