Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
Wohnraum zum Schlafzimmer hatte gehen hören.
Er blieb in der Küche und trank schlückchenweise seinen Kaffee. Als er fertig war, stellte er die Tasse auf das Ablaufbrett, raffte all seinen Mut zusammen und ging zum Schlafzimmer.
»Danach erinnere ich mich an nicht viel«, fuhr Banner fort. »Als ich erwachte, erzählte mir Jake« – ihr Blick glitt zu ihm im Türrahmen –, »dass der Doktor mir den Blinddarm entfernt hat. Danach hat er mich die ganze Zeit versorgt und gepflegt.«
Ross wandte den Kopf zu der Stelle, wo Banner hinschaute, und entdeckte Jake. Er stand auf und ging auf ihn zu. Als er dicht bei ihm stand, hob er die Arme. Es bedurfte einer Willensanstrengung von Jake, nicht zurückzuzucken.
Aber Ross legte ihm nur die Hände auf die Schultern und sagte von ganzem Herzen: »Danke schön.«
Jake zuckte nur mit den Achseln. »Dank mir noch nicht, Ross. Vielleicht habe ich dir ja Schwierigkeiten bereitet. Dieser verdammte Quacksalber wollte sie sterben lassen, sagte, er hielte nichts davon, den Bauch zu verletzen. Da habe ich meine Pistole gezogen und gedroht, ihn zu töten, wenn er sie nicht operierte.«
Ross’ Mund unter seinem dichten Schnurrbart verzog sich. »Ich hätte dasselbe getan.«
Jake nickte. »Das habe ich mir gedacht.«
»Wir haben schon lange versucht, Hewitt aus der Stadt zu vertreiben. Es gibt einen neuen Arzt …«
»Ja, aber der war nicht in der Stadt. Mir blieb keine Wahl.«
»Mach dir darum keine Gedanken. Ich kümmere mich um Dr. Hewitt, wenn er Theater macht.«
Ross wandte sich wieder dem Bett zu. »Mein Gott, Prinzessin. Ich kann gar nicht glauben, dass du all das ertragen hast, und deine Mutter und ich konnten uns nicht um dich kümmern. Lydia kriegt einen Anfall, wenn sie das erfährt. Sie wollte heute Morgen herüberkommen und dich besuchen. Aber du weißt ja, dass sie schreckliche Angst vor Wasser hat und nicht im Traum daran dächte, auf einem Floß den Fluss zu überqueren.«
Ihre Angst vor dem Wasser verdankte Lydia ihrem Stiefbruder Clancey Russell. Er hatte sie in einen Fluss geschubst, als sie noch ein Kind war, und sie in Angst und Schrecken versetzt, weil er sie beinahe ertrinken ließ, bevor er sie wieder herauszog. Seit zwanzig Jahren wünschte sich Ross, er wäre derjenige gewesen, der Russell getötet hatte. Er hoffte, noch vor seinem Tod herauszufinden, wer Clancey umgebracht hatte, damit er demjenigen danken konnte.
»Jake hat mich sehr gut versorgt«, sagte Banner ruhig.
Ross sah Jake ins Gesicht. »Ich bin dir dankbar, Jake, du hast Banner das Leben gerettet.«
Wieder zuckte Jake gleichgültig mit den Achseln und stieß sich vom Türrahmen ab. »Ross, wir kennen uns schon lange. Wenn wir einander für jeden Gefallen, den wir dem anderen erwiesen haben, danken würden, stünden wir den ganzen Tag hier. Ich muss mich jetzt um die Ranch kümmern.«
Da er zu Recht annahm, dass Ross sich um Banner kümmern würde, ging er nach draußen, nachdem er im Wohnzimmer seine restliche Cowboyausrüstung eingesammelt hatte: ein Lasso, Lederhandschuhe, seinen ledernen Beinschutz, Sporen und seinen Hut.
Banner hörte, wie die Haustür sich hinter ihm schloss. Bevor er ging, hatte er sie nicht einmal angeschaut, ihr nicht Auf Wiedersehen gesagt, nicht gewinkt, nichts. War er so froh, die Verantwortung für sie los zu sein? War alles, was er ihr gestern Abend gesagt hatte, eine Lüge? Oder hatte Ross’ Auftauchen Jake an die Frau auf der anderen Seite des Flusses erinnert – diejenige, die er wirklich liebte? Sie konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie sammelten sich in den Augenwinkeln, und ihr Vater bemerkte sie.
Er setzte sich auf die Bettkante und umarmte sie. »Meine kleine Prinzessin. Hast du noch Schmerzen?«
Die hatte sie, aber nicht von der Art, wie Ross es sich vorstellte. Sie kuschelte sich in die sichere Zuflucht seiner Arme und begrub ihre Nase an seiner Schulter. »Mir geht es gut, Papa. Ich bin nur schrecklich froh, dich zu sehen. Ich habe euch alle so vermisst. Erzähl mir, was auf River Bend los ist.«
Den größten Teil des Vormittags saß Ross bei ihr, holte und brachte ihr Sachen, verbreitete eine Atmosphäre der Unruhe und machte sie mit seiner Ungeschicklichkeit nervös. Er war keine ideale Krankenschwester, aber seine Bemühungen, ihr zu helfen, waren rührend.
Mittags ließ er sie ein Nickerchen machen und kehrte nach River Bend zurück. Als Lydia und Ma erfuhren, was geschehen war, wirbelten sie wie zwei geschäftige
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