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Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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gelehnt. Sobald er sie sah, stieß er sich ab und trat zögernd einen Schritt vorwärts.
    »Banner?«
    Hilflos starrte er in ihre zerstörten Gesichtszüge, die das schwache Mondlicht noch hervorhob. In ihren Augen sah er einen gehetzten Ausdruck und Tränen, die in ihnen aufstiegen. Die feuchten Spuren unter ihren bleichen Wangen bewiesen, dass sie nicht alle Tränen hatte zurückhalten können. Ihre Lippen waren geschwollen und von seinem Bart zerkratzt. Seine plündernden Hände hatten ihr Haar völlig verwüstet. In mitleiderregender Weise klammerte sie ihr Umschlagtuch um sich, als habe sie Angst, er würde es ihr entreißen und sie noch einmal nehmen. Schnell wandte sie sich von ihm ab, rannte auf das Haus zu und verschwand in den Schatten der vorderen Veranda.
    Jake sackte gegen die Scheunenwand. Sein Hinterkopf knallte gegen die weiß gestrichenen Bretter, während er dem Himmel wilde Grimassen schnitt. »Mist.«

4
    Banner hatte geglaubt, der vorherige Tag sei der schlimmste ihres Lebens gewesen. Sie hatte sich geirrt. Es war heute. Heute verachtete sie nicht nur Grady Sheldon, sondern auch sich selbst – der entwürdigenden Dinge wegen, die sie vergangene Nacht getan hatte.
    Zusammengekauert, als quäle sie ein unerträglicher Schmerz, lag sie auf dem Bett und hatte die Knie bis an die Brust gezogen. Wovon war sie besessen gewesen, dass sie so etwas getan hatte? Ihre Motive waren ganz rein gewesen. Sie hatte geglaubt, dass so ein drastischer Schritt sie von ihrer Verzweiflung befreien würde. Jake hatte recht gehabt. Es hatte nur ihre Scham vergrößert.
    Jake, Jake, Jake. Was denkt er jetzt von mir?
    Er hatte Lydia immer angebetet und sie auf einen Sockel gestellt. Intuitiv wusste Banner, dass er deshalb nie geheiratet hatte, nie vertraut geworden war mit einer anständigen Frau, die er hätte heiraten können. Er wurde seiner Liebe zu Lydia nicht untreu, wenn er sich mit Huren einließ, weil sein Herz nicht mit dabei war. Man konnte ihm vergeben, dass er seine fleischlichen Gelüste befriedigen musste, aber seine Seele hatte er Lydia verschrieben.
    Banner hatte er geliebt, weil sie Lydias Tochter war. Aber jetzt musste Jake denken, dass sie kein bisschen besser war als Wanda Burns. Sie hatte sich ihm an den Hals geworfen und ihn angefleht, mit ihr zu schlafen. Die schiere Verblüffung auf seinem Gesicht, als sie sich ihm näherte, verfolgte sie selbst jetzt noch. Ihre Schamlosigkeit hatte ihn schockiert, wahrscheinlich sogar abgestoßen. Wenn nicht zu Beginn, dann bestimmt später, nachdem sie …
    Nein, an den tatsächlichen Akt konnte sie nicht denken. Tiefe Scham ergriff sie, wenn sie daran dachte.
    Sie klammerte jene intensiven Augenblicke aus und dachte an die Situation danach, als sie sich von ihm weggedreht hatte, um ihr Gesicht und ihren trügerischen Körper vor seinen Blicken zu verbergen. Ihr Verhalten hatte sicherlich jegliche Zuneigung oder Bewunderung, die er für sie empfunden hatte, zerstört. Jetzt würde er sie nicht höher schätzen als die Huren, mit denen er zusammen gewesen war. Sie bedeutete ihm sicher nicht mehr als eine weitere Kerbe auf seinem reich markierten Gürtel. Und sie verdiente es auch gar nicht, besser angesehen zu werden, weil sie sich nun einmal schamlos verhalten hatte.
    »Banner?«
    Sie fuhr hoch und wischte sich über die tränennassen, geschwollenen Augen. Hektisch strich sie ihr Haar glatt, fuhr sich mit der Hand über ihre Brust. Sah sie anders aus? Würde ihre Mutter entdecken können, was sie getan hatte?
    Sie sprang aus dem Bett und zog einen Morgenmantel über, als ob ihr Nachthemd ihr Geheimnis preisgäbe. »Ja, Mama?«
    Lydia öffnete die Tür und kam ins Zimmer. Sie hatte sich mit diesem Zimmer für ihre Tochter große Mühe gegeben. Dort gab es alles, was Lydia in ihrer Jugend vermisst und sich immer gewünscht hatte.
    Das Eisenbett war makellos weiß gestrichen. Lydia und Ma hatten viele Stunden damit zugebracht, den farbenfrohen Quilt, der als Tagesdecke diente, anzufertigen. Die beiden Fenster waren mit weißen Rüschengardinen dekoriert. In den Fenstersitzen türmten sich Kissen aus Stoffresten, die mit Gänsedaunen gefüllt waren. Flickenteppiche lagen wie Tupfen auf dem Boden. Überall spürte man eine liebende Hand. Und welch ein Wildfang Banner auch gewesen war, dieses weibliche Ambiente war nicht an sie verschwendet gewesen.
    Besorgt runzelte Lydia die Stirn. Banner stand vor einem der Fenster. Ihre Haltung war stolz, aber offensichtlich hatte

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