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Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)

Titel: Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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einmal Hemmungen, ihn in den Rücken zu schießen.
    Einmal, vor ein paar Jahren, hatte Lee zufällig gehört, wie einer der Cowboys eine Bemerkung über Banners heranreifende Figur machte. Lee hatte die Ehre seiner Schwester verteidigt, und die beiden waren in ein Handgemenge geraten. Schließlich war Ross dazwischengetreten und hatte den Cowboy gezwungen, seinen rüden Kommentar zu wiederholen. Ross wurde so wütend, dass er den jungen Mann totgeschlagen hätte, wenn nicht Jake und einige andere Arbeiter ihn gewaltsam zurückgehalten hätten.
    Keine der Frauen wusste von diesem Vorfall, aber die Männer auf River Bend vergaßen ihn nie. Sie hatten Ross schon immer als Arbeitgeber und als Mann respektiert und einen großen Bogen um ihn gemacht, wenn sein Temperament mit ihm durchging. Aber seit jenem Tag waren sie peinlich genau darauf bedacht, keine Seitenblicke auf Banner zu werfen, wie verführerisch der Anblick auch sein mochte. Die Cowboys, die seitdem angeheuert worden waren, wurden von ihren Kameraden pflichtschuldigst gewarnt, dass die Tochter des Bosses geheiligter Boden war, der nicht betreten werden durfte.
    Jake nahm am langen Esstisch Platz und trank schluckweise den kochend heißen Kaffee. Als Cookie ihm einen Teller mit Brötchen und Schinken anbot, schüttelte er den Kopf.
    Nein, Ross wusste nicht Bescheid über die vergangene Nacht. Sonst wäre Jake schon tot. Aber wie, in drei Teufels Namen, konnte er dem Mann ins Gesicht sehen? Wie? Wie sah man einem Freund ins Gesicht, wenn man gerade dessen Tochter Gewalt angetan hatte?
    Er hatte sie geschändet, die süße, kleine Banner.
    Ekel über sich selbst ließ ihm beinahe den Kaffee, den er gerade heruntergeschluckt hatte, wieder hochkommen.
    »Hab gehört, dass du durch Fort Worth gekommen bist, Jake.«
    »Ja«, antwortete er kurz angebunden.
    »Bist du auch in Hell’s Half Acre gewesen?«, fragte ein anderer Cowboy mit weit aufgerissenen Augen.
    Lee und Micah hatten Jakes Ruf unter den Arbeitern auf River Bend verbreitet, und sie betrachteten ihn als eine Legende. Die meisten von ihnen waren zu jung, um die langen Viehtrecks mitgemacht zu haben. Die Cowboys, die dies getan hatten und noch davon erzählen konnten, wurden sehr verehrt.
    »Ich war für eine kurze Weile dort.«
    »Wie war es?«
    »Wüst.«
    »Ehrlich? Bist du im Garten Eden gewesen? Hab gehört, dass Madame Priscilla die tollsten Huren im Staat hat. Ausgebildet in New Orleans. Stimmt’s nicht?«
    »New Orleans, hm?« Jake grinste über die Leichtgläubigkeit der Männer. Aber was für einen Sinn hatte es, ihnen ihre Illusionen zu rauben? »Ja, ich glaube, einige schon.«
    »Hast du es mit einigen von ihnen getrieben?«
    »Zum Teufel, natürlich hat er das«, meinte ein anderer und spottete über seinen Freund. »Mit jeder einzelnen. Jake ist wie eine Droge für die Mädels. Ich hab gehört, dass Madame Priscilla das Lächeln gar nicht mehr aus ihren Gesichtern bekommt, seit er zuletzt da war. Sehen total dämlich aus, ehrlich, und laufen selig grinsend wie die Waschbären herum.«
    Die Männer am Tisch lachten. Jake zuckte nur mit den Achseln und nahm einen Schluck Kaffee. Auf seinen Ruf als Frauenheld war er nicht besonders stolz, er hatte allerdings alles getan, um ihn sich zu verdienen. Dass man ihn wegen seiner Heldentaten im Schlafzimmer aufzog, war er gewohnt.
    Heute Morgen machte er sich jedoch zu sehr Gedanken über seine bevorstehende Unterhaltung mit Ross, um diesem vertrauten Geplänkel viel Aufmerksamkeit zu schenken. Sex oder der Mangel an Sex waren häufig das Thema von Gesprächen einsamer Cowboys, die oft monatelang ohne weibliche Gesellschaft auskommen mussten. Es gab keine unanständige Geschichte, die Jake noch nicht gehört hatte, keinen schlüpfrigen Witz, den er nicht selbst an irgendeinem Lagerfeuer wiederholt hatte. Sie beeindruckten ihn nicht mehr, im Gegensatz zu einigen der jüngeren Männer, die sie für bare Münze nahmen und glaubten.
    Die harmlosen Beleidigungen und übertriebenen Komplimente gingen zum einen Ohr hinein und zum anderen wieder hinaus, bis einer der Cowboys sagte: »Wie kommst du denn mit einer frauenlosen Nacht, so wie der vergangenen Nacht, klar, Jake? Oder ist es dir gelungen, eine Frau in die Scheune zu schmuggeln?«
    Jake fuhr von seinem Stuhl hoch und riss die Pistole so schnell aus dem Halfter, dass den Männern das Lachen in der Kehle stecken blieb. Die Waffe dicht vor der Nase des unglücklichen Cowboys fragte Jake zähneknirschend:

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