Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
zusammenarbeitest, seit wir uns in Jefferson am Ende des Siedlertrecks getrennt haben.«
»Damals war es unmöglich wegen meiner Familie. Heute ist es genauso unmöglich.«
»Verdammt noch mal, warum denn?« Ross schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Hast du einen anderen Job? Du hast doch erzählt, dass du oben in West Virginia gekündigt hast.«
»Das stimmt.«
»Also? Was hast du vor?«
»Etwas anderes zu finden.«
»Warum, wenn ich dir hier einen Job anbiete? Einen verdammt guten Job.«
Ross stand auf und kam um den Schreibtisch herum. Abgesehen von den silbernen Strähnen im dunklen Haar, sah er noch genauso aus wie der Mann, den Jake Langston immer bewundert hatte. Selbstverachtung drehte ihm erneut den Magen um. Wenn Ross wüsste, was er Banner angetan hatte, würde er ihn begraben, statt ihn zum Bleiben aufzufordern.
»Ich möchte, dass du Vormann auf Banners Ranch jenseits des Flusses wirst.«
Jakes Kopf schnellte hoch, als er ihren Namen hörte. »Banners Ranch? Welche Ranch?«
Jakes plötzliches Interesse ermutigte Ross. »Ich habe vor etlichen Jahren Land für beide Kinder, für sie und für Lee, erworben. Ich konnte das Land im Laufe der Jahre günstig kaufen, eine Parzelle hier, eine Parzelle da. Zum größten Teil ist es noch nicht kultiviert. Ich wollte Banner ihren Teil zur Hochzeit schenken.« Seine grünen Augen wurden hart. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich diesen Bastard gestern umbringen wollte!«
»Doch. Ich habe dasselbe empfunden.«
Jake hatte erlebt, wenn Ross wütend war. Und er wusste, dass Ross’ Zorn tödlich sein konnte. Er zweifelte keinen Moment daran, dass Ross zu einem Mord imstande war, und er konnte nur der Vorsehung danken, dass er ihn davon abhalten konnte, Sheldon umzubringen. Es hätte keinen Sinn gehabt und der Familie nur noch mehr Leid zugefügt.
»Ich würde jeden Mann umbringen, der Banner etwas zuleide tut«, sagte Ross. »Ich war nicht überwältigt von Sheldon als Ehemann für sie, aber ich dachte, jeder Vater hat das Gefühl, kein Mann auf Erden sei gut genug für seine Tochter. Ich hatte nichts auszusetzen an Sheldon. Ich hielt ihn für eine sichere Wahl. Seit sie alt genug ist, die Aufmerksamkeit eines Mannes auf sich zu ziehen, hatte ich Angst, irgendein nichtsnutziger Cowboy käme daher, und sie würde den Kopf verlieren.«
»Du hattest allen Anlass, das zu befürchten.«
»Er würde sie heiraten, ihr einen Haufen Kinder machen und während sie unglücklich zu Hause hockt, mein Geld mit Huren, Karten und Alkohol durchbringen.«
Jake lächelte grimmig.
»Sheldon hatte wenigstens ein Geschäft, war angesehen in der Gemeinde. Über seine Moral habe ich mir keine Sorgen gemacht.« Er fluchte unflätig. »Das beweist wohl, wie beschissen meine Menschenkenntnis ist.«
»Auf jeden Fall«, fuhr er fort und kämmte sich mit den Fingern durchs Haar, als wolle er die Gedanken an Grady Sheldon wegwischen, »haben wir auf diesem Land ein kleines Haus für sie und Grady gebaut. Banner hatte ihm bereits gesagt, dass sie nicht in die Stadt ziehen wolle. Jetzt teilt Lydia mir mit, dass Banner auf alle Fälle dorthin ziehen möchte, um wie geplant ihre Ranch aufzubauen. Ohne Grady. Ohne irgendjemanden.«
Jake, der ganz vertieft Ross’ Erklärung gefolgt war, rief aus: »Das ist verrückt! Das kann sie nicht tun.«
Ross stöhnte nur, als wolle er damit ausdrücken, man sollte Banner besser nicht sagen, das könne sie nicht. »Ich hatte ihr für den Anfang einen Hengst und einige Stuten versprochen, und auf den weniger fruchtbaren Weiden will sie versuchen, Rinder zu züchten.«
»Was zum Teufel weiß sie über Rinder?«
»Keinen verdammten Pfifferling. Und ich auch nicht – außer dass ich weiß, wie ich mein Steak am liebsten mag.« Er blickte Jake eindringlich an. »Aber du. Es ist ein erstklassiger Besitz, Jake. Du könntest dort Wunder vollbringen.«
Zu jeder anderen Zeit hätte Jake eine Gelegenheit wie diese beim Schopf gepackt. Er trüge die Verantwortung. Er könnte die Ranch führen, wie er es für richtig hielte. Gott, welche Versuchung! Wie ein reifer Apfel, der nur darauf wartete, gepflückt zu werden. Aber es war ihm unmöglich, das Angebot anzunehmen, also hatte es keinen Zweck, sich länger damit zu beschäftigen.
Er stand auf und ging zum Fenster. Seine Hände steckte er in die Gesäßtaschen seiner Jeans. »Tut mir leid, Ross, ich kann nicht.«
»Nenn mir einen verdammten Grund, warum.«
»Banner«, antwortete Jake
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