Wie ein reißender Strom: Roman (German Edition)
fürchteten sie, dass es nie mehr so zwischen ihnen wäre wie zuvor, wenn sie es laut aussprächen. Und damit hatten sie vermutlich recht.
Jake sah von dem Handschuh auf, mit dem er herumgespielt hatte. Ma hatte ihm eine Tasse Kaffee eingeschenkt, die unberührt neben seiner Hand stand und kalt wurde. »Du hast nichts dazu gesagt, dass ich hierbleibe.«
Ma setzte sich ihm gegenüber auf den Stuhl. »Du hast mich nicht gefragt.«
»Ich frage dich jetzt.«
Sie holte tief Luft, sodass ihr breiter Brustkorb sich ausdehnte. »Ich bin froh, dass du dich irgendwo niederlässt. Ich bin nicht gerne jede Nacht ins Bett gegangen, ohne zu wissen, wo du steckst. Das ist wohl egoistisch von mir, aber am liebsten habe ich euch alle die ganze Zeit um mich.«
Er lächelte traurig. »Du hast so viele von uns verloren.«
Sie kräuselte abwehrend die Nase. »Viele Frauen mussten ihre Ehemänner und Kinder begraben. Da geht es mir nicht anders.«
Er hatte den Handschuh achtlos beiseitegeworfen und begann, den Kaffeebecher in einem endlosen Muster kreisen zu lassen. Ma wusste, dass ihn noch etwas bedrückte.
»Glaubst du, es kann klappen, dass Banner und ich zusammenarbeiten?«
Ma griff seine Worte begierig auf. Banner. Banner ? Konnte es das sein? Sie beobachtete Jake genau, ohne dass er es merkte. Er rutschte hin und her, als hätte er Ameisen in der Hose. Seine Finger fuhren ruhelos um die Tasse herum, als sei sie heiß. Er zeigte alle Symptome. Jawohl, das war es. Es hatte etwas mit Banner zu tun.
Das Mädchen war seiner Mutter sehr ähnlich. Attraktiv auf eine sinnliche Weise, die Männer nicht übersehen konnten. Aber Jake und Banner? Daran musste man sich erst gewöhnen. Allein der Altersunterschied … siebzehn, nein, achtzehn Jahre. Er hatte sie immer wie seine kleine Schwester behandelt. Allerdings waren schon seltsamere Dinge vorgekommen.
»Ich denke schon«, sagte Ma, ohne zu überlegen. »Sie kann allerdings eine Nervensäge sein, mach also keine Fehler.« Sie hievte sich hoch, um die Bohnen, die auf dem Herd kochten, umzurühren. »Das Mädchen ist sein ganzes Leben lang von jedem auf River Bend verwöhnt worden, mich eingeschlossen. Jetzt hat sie eine große Enttäuschung erlebt, die erste ihres Lebens. Ich hab ja von diesem Burschen Sheldon nicht viel gehalten. Wenn du mich fragst, ist es das Beste, was ihr passieren konnte. Irgendwann musste sie lernen, dass das Leben Miss Banner Coleman nicht jeden Wunsch erfüllt. Das hört sich vielleicht gemein an, aber du weißt, dass ich die Kleine so gern habe, als wäre sie von mir.
Ich weiß allerdings auch, dass sie stur und eigensinnig ist. Sie ist wie eine Dynamitstange, die man nur anzuzünden braucht. Und der Mann, der das tut, wird entweder für den Rest seiner Tage bedauern, dass er die Lunte entfacht hat, oder verdammt glücklich sein. Das hängt von dem Mann ab.«
Sie sah, wie sein Adamsapfel einen Sprung machte, bevor er langsam wieder an seine übliche Stelle zurückrutschte. Es war also Banner. Ma drehte sich zum Herd um und salzte die Bohnen.
»Woher weißt du, dass es ein Mann ist, der sie, ähm, anzündet?«
Ma lachte. »Weil sie die Tochter ihrer Mama ist, deshalb. Und die ihres Papas. Während sie aufwuchs, hat sie stets das Feuer zwischen den beiden gespürt. Was zwischen Männern und Frauen passiert, ist ihr nichts Fremdes. Weißt du, was ich glaube?«
»Was?«, fragte Jake mit einer Stimme, die sich anhörte, als gehöre sie ihm nicht.
»Ich glaube, sie hat sich mindestens so sehr danach gesehnt, überhaupt zu heiraten, wie diesen Grady Sheldon zu heiraten.«
»Das kann ich nicht beurteilen.« Jake stand abrupt auf, trug seine Kaffeetasse zum Spülbecken und ließ Wasser darüber laufen. Er blickte aus dem Fenster. Banner sagte ihrer Familie gerade Auf Wiedersehen. Lee beugte sich zu ihr herab und küsste sie auf die Wange. Sie gab ihm einen leichten Klaps. Er boxte sie in den Magen. Sie lachten gemeinsam. Ross und Lydia, die nebeneinanderstanden und einander umarmten, lächelten Banner liebevoll an.
»Aber ich sage dir eins«, sagte Jake plötzlich streng und wirbelte zu seiner Mutter herum. »Ross hat mir einen Job gegeben, und ich bin froh darüber, aber das bedeutet auch eine Menge harter Arbeit. Ich werde mir keinen faulen Zauber von Banner gefallen lassen. Ihre Wutanfälle lasse ich mir nicht bieten. Und je eher sie das begreift, desto besser.« Mit diesen Worten nahm er seinen Hut vom Tisch und zwängte sich durch die Hintertür nach
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